Sofia/Istanbul - Die Mama ist wichtig für ihn; auch das gefällt den Leuten. "Meine Mutter hat mich gewarnt, dass sie mich zerstören würden, wenn ich nicht die Macht übernehme", erklärt Nikolai Barekow, der jüngste Zuwachs in der bulgarischen Parteienlandschaft. Er ist kein Mann für halbe Sachen.
Seine Gegner sehen einen Polit-Clown in ihm, eine Art Beppe Grillo, oder aber eine Oligarchenmarionette. Doch Barekov, bis vor kurzem noch populärer Fernsehjournalist, fühlt sich als Mann des Volkes; oder besser: als dessen Megafon. Bulgarien ohne Zensur heißt seine Partei - genau wie die TV-Show, mit der er drei Jahre lang durch die Städte und Dörfer des verarmten Balkanlands gezogen war, bis zum Sommer 2013.
"Ich habe jeden eingeladen", erzählt Barekow von seinen Auftritten in den Stadthallen. "Die Leute fühlen sich erleichtert, wenn jemand kommt, mit ihnen spricht." Ein Jahr ist es nun her, dass Bulgarien in den Dauerprotest gekippt ist. Bojko Borissow, der Volkstribun, gab auf, beleidigt über den plötzlichen Liebesentzug. Am 20. Februar 2013 verkündete der konservative Premier im Parlament zur Verblüffung der Demonstranten auf den Straßen seinen Rücktritt.
"Das Schlimmste, was Borissow getan hat, waren nicht die Abhöraktionen oder seine Raubzüge in der Wirtschaft, sondern die Sozialpolitik. Er hat sie vergessen", sagt Barekow. Als TV-Journalist hatte er Borissow jahrelang unterstützt. Jetzt ist Barekow einer seiner hartnäckigsten Gegner und wühlt in dessen Vergangenheit im kriminellen Milieu. Einer, um den sich nicht nur die Mama Sorgen machen muss. Barekow empfängt morgens in seinem ehemaligen Büro bei TV7 im Westen Sofias, auf einer weißen Sitzgruppe, die in dem Boden eingelassen ist, umgeben von jungen Frauen. "Ich bin nur Gast hier", versichert er.
Vertrauen ohne Parlamentsmandat
2000 bis 4000 Beitrittsanträge erhält seine Partei jetzt jede Woche, so gibt Barekow an. Bis zu den Europawahlen im Mai soll Bulgarien ohne Zensur dann 25.000 Mitglieder haben. Der 42-Jährige tritt für ein Mandat in Straßburg an, obwohl er doch Premier im eigenen Land werden will. Davon ist Barekow weit entfernt: Sechs Prozent geben die Umfragen seiner Ende Jänner gegründeten Partei. Doch Bulgarien ohne Zensur ist nicht zu unterschätzen: Gallup führt sie als die Partei, der die Bulgaren nach den Sozialisten und Borissows Partei Gerb noch am meisten vertrauen. Dabei ist Bulgarien ohne Zensur noch nicht einmal im Parlament vertreten.
Barekow hat einige Akademiker wie den Finanzfachmann Haik Garabedian von der liberalen Bürgerbewegung der früheren EU-Kommissarin Meglena Kunewa abgeworben. Er hat eine Koalition mit der alten Nationalistenpartei VMRO und der konservativen Agrar-Union geschlossen. Und er wirbt mit sozialen Versprechen wie dem Ende der Flat Tax: "Wir haben das zum Programm gemacht, was die Leute uns sagten." (Markus Bernath, DER STANDARD, 19.2.2014)