Wien - Warnung vor übertriebenen Erwartungen der Gesundheitspolitik. "Über Einsparungen bei den Arzneimitteln ist das österreichische Gesundheitswesen nicht finanzierbar. Nicht einmal, wenn man alle Vertriebsmargen (Großhandel, Apotheken, Anm.) beseitigt. Aber man kann die Umsatzsteigerungen bremsen." - Dies erklärte der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, Gottfried Bahr. Keine großen Brocken

Insgesamt sind die Arzneimittel bei weitem nicht der größte Brocken bei den Ausgaben der sozialen Krankenkassen. Der Chef des Verbandes der rund 1.100 österreichischen selbstständigen Apotheken: "Im Jahr 2002 wurden in den österreichischen Apotheken auf Rechnung der Sozialversicherungsträger Arzneimittel im Wert von 1,536 Mrd. Euro abgegeben. Inklusive Rezeptgebühr und exklusive Mehrwertsteuer betrug die Steigerung der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen über die Apotheken im Jahr 2000 exakt 5,6 Prozent, im Jahr 2001 dann 4,6 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 6,6 Prozent und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 7,6 Prozent."

Damit ist man bereits weit von der Steigerung von 13,9 Prozent entfernt, die sich im Jahr 1999 eingestellt hatte. Damals waren Gegenmaßnahmen ergriffen worden. Die harten Fakten über die Ausgabenverteilung der Krankenversicherungsträger: Von den 10,418 Mrd. Euro Aufwendungen 2001 entfielen 31,1 Prozent auf die Arzthonorare, 28,3 Prozent auf die Spitäler und 19,8 Prozent auf die Heilmittel. Medikamentenkosten

Die Kosten für die Medikamente setzen sich aus Hersteller-Abgabepreis, Großhandels- und Apothekenaufschlägen sowie der (im Europa-Vergleich hohen) Mehrwertsteuer auf Arzneimittel in Österreich zusammen. Bahr wehrt sich vehement dagegen, dass den österreichischen Apotheken höhere Margen als der EU-Durchschnitt nachgesagt werden: "In den ersten Verhandlungsrunden haben wir uns einmal auf die Daten geeinigt. Unbestritten ist, dass die Apothekenspanne in Österreich bei 22,8 Prozent Aufschlag für die Arzneimittel auf Kassenrezepte liegt. Damit liegen wir im unteren Drittel der EU."

Die Krankenkassen - so Bahr - hätten hingegen gerade in jüngster Zeit nicht zutreffende Daten an die Öffentlichkeit weiter gegeben: "Da kann der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht mit 29 Prozent Apothekenspanne an die Öffentlichkeit gehen. Das ist der Mischsatz unserer Marge bei den Kassenrezepten und den Privatrezepten. Bei jedem Kassenrezept gewähren wir aber den Krankenkassen durchschnittlich 7,6 Prozent Rabatt." In Verhandlung über die Kosten des sozialen Gesundheitswesens könne man wohl nur auch nur über die Situation dort verhandeln. Medikamente auf Privatrezept - nicht von Kassen zu bezahlen - hätten immer etwas höhere Aufschläge gebracht. "Apothekerpreise"

Von sprichwörtlichen "Apothekerpreisen" und hohen Gewinnen ist laut den Daten der Österreichischen Apothekerkammer und des Verbandes der selbstständigen Apotheker keine Rede. Der Präsident des Verbandes, Gottfried Bahr: "Das kalkulatorische Betriebsergebnis der typischen österreichischen Apotheke betrug im Jahr 2000 rund 19.000 Euro. Es beträgt somit 1,5 bis zwei Prozent vom Umsatz.." Bei diesen Zahlen ist der "Unternehmerlohn" in der Form des Gehalts eines Apothekenleiters abgezogen.

Wie sich die Apotheker die Zukunft vorstellen: Sie wollen über Modifizierungen ihres Solidaritätsmodells verhandeln, das seit 1999 die Umsatzsteigerungen eingrenzte. Der Standespolitiker: "Zuzüglich zum Kassenrabatt zahlen jene Apotheken, welche im Vergleich zum Vorjahr eine Umsatzsteigerung erzielt haben, für diese seit dem Jahr 2001 13 Prozent an die Krankenkassen zurück. Das führt auch dazu, dass der Anreiz für Umsatzsteigerungen (Kassenbereich, Anm.) reduziert ist. Wenn es zu keinen Umsatzsteigerungen kommt, ist der Wunsch der Gesundheitspolitik erfüllt." Zwölf Millionen Euro Refundierungen im Jahr 2003 zu erwarten

Im Jahr 2000 erhielten die Krankenkassen über dieses System 5,5 Mio Euro refundiert, im Jahr darauf 5,2 und im vergangenen Jahr rund sieben Mio. Euro. Im Jahr 2003 könnten es gar um die 12 Mio. Euro werden. Etwaige Spannenkürzungen bei den Apotheken wie sie um 6 ,2 Prozentpunkte gefordert wurden, hält Bahr für vollkommen unrealistisch: "Jedes Prozent Nachlass für den Hauptverband kostet uns rund 15 Mio. Euro im Jahr. Das wären dann zwischen 70 und 90 Mio. Euro. Das ist völlig unfinanzierbar."

Wobei die Apotheker unter Umständen in eine doppelte Schere kommen könnten: Mit dem pharmazeutischen Großhandel wird nämlich ebenfalls über Nachlässe bei der Marge verhandelt. Und geringere Apotheken-Einstandspreise (ab Großhandel) führen zu geringeren Aufschlägen der Apotheken. Bahr: "Der Großhandel reduziert dann eben als Ausgleich für eine allfällige Spannensenkung die europaweit üblichen Einkaufsrabatte, die er den Apotheken gewährt. Diese Einkaufsvorteile dienen als Grundlage für die hohen Nachlässe für die Sozialversicherung. Sollte es dazu kommen, müssten wir aber unsere Nachlässe für die Krankenkassen überdenken." Arzneimittel per Fahrradboten?

Wenig hält man bei den Apothekern auch von Aussagen der Pharma-Industrie, dass die Vertriebsspannen von Arzneimitteln zu hoch sind: "Die wollen die Medikamente für die Dauerbehandlung von Patienten am liebsten selbst in die Hand nehmen. Aber der Fahrradbote vom Logistikzentrum, der das Medikament im Gemeindebau zustellt und ein Call-Center mit Computer-Telefon als Auskunftsstelle. - Ich glaube nicht, dass das die Patienten wollen bzw. damit zurecht kommen."

Schließlich aber könnte man am ehesten über die vernünftige Verwendung von Arzneimitteln, Generika-Verschreibungen etc. sparen helfen. Bahr: "Wir Apotheker haben eine gesetzlich festgelegte Abgabe-Verpflichtung für jenes Medikament, das der Arzt auf Rezept verordnet. Wir sind somit auch nicht die Verursacher der Kosten. Und übrigens sollte man sich einmal ausrechnen, wie viel an Krankenhausaufenthalten die moderne Arzneimitteltherapie außerhalb der Spitäler einspart." (APA)