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James Hetfield und Metallica jagen zum Abschluss des FM4-Frequency-Festivals etwaige Vorbehalte gegen die US-Superstars zum Teufel: "Kill 'em all!"

Foto: Tobias C. Fuehrer/APA

Dank Metallica wurde eines klar: Alternativen zum Mainstream gibt es heute nur mehr selten.

Salzburg – Die Jugend heutzutage ist so unangepasst, dass man sie vor lauter Individualität oft nicht mehr unterscheiden kann: Heterogenität als neue Form der Vereinheitlichung. Beim zweitägigen, unter dem Ehrenschutz des Jugendsenders FM4 stehenden Frequency-Festival am Salzburg-Ring sah man sie vor und auf der Bühne dann auch alle. Sei es im "Alternative Tent" oder auf der "Main Stage": 2003 haben Jugend und ihre Formen der Abgrenzung und des Protests eine derartige Diversifizierung und die Bildung von (Konsum-)Nischen bedingt, dass es zwar ganz schön bunt zugeht.

Allerdings besteht im friedlichen Nebeneinander der längst zum Mainstream gediehenen "Alternativkultur" eine derartige Übereinkunft, dass zwischen linksradikalem Punk, dämlichem Deutsch-Pop und -HipHop, elegantem Dancefloor oder Heavy Metal mit Brett vor dem Kopf alles möglich ist. Solange man sich über den Markt gegen ein imaginäres "Anderes" eines feindlichen "Systems" zu wehren versteht, hat auch das System selbst sein Glas heller Freude an so viel Opposition.

Deshalb waren vom Handybetreiber über die Bier- bis zur Wodkamarke dann auch jene Sponsoren vertreten, die über rauschfreie bis berauschende Produkte alle, wirklich alle bedienten – solange damit nur die Kommunikation gesteigert werden kann. Man sagt ja nichts. Man redet ja nur.

Während also am zweiten Tag von Frequency auf der großen Bühne die unfassbar dilettantischen Sportfreunde Stiller aus München Abertausende ganz junge Fans mit ihrer Version eines keinen Genierer kennenden Pop-Punk-Schlagers im Zeichen von Starmania bis hin zur Hyperventilation beglückten ("Ich wollte dir nur sagen . . ."), wüteten im kleineren Zelt die alten Hamburger Linksradikalen Goldene Zitronen.

Und zwar wüteten sie nicht nur gegen die Verhältnisse, als deren Teil sie fungieren: "Von der Schwierigkeit, die Regierung stürzen zu wollen." Sie attackierten auch den von vielen Festivalbesuchern und Bands als "Kommerz" angefeindeten Hauptact des zweiten Abends, die US-Metal-Superstars Metallica. In deren 23-jähriger Geschichte sorgten diese mit Alben wie Kill 'Em All zwar für mehr Aufruhr als der ganze Rest der 40 Frequency-Bands zusammen.

Dank einer astronomischen und das Festival von vornherein in die roten Zahlen treibenden Gage von 600.000 Euro (bei einem durchaus kulanten Zweitagesticket-Preis von 59 Euro) offenbarte sich hier zum Abschluss von Frequency aber auch das ganze Dilemma der Jugendindustrie.

Metallica, die ein druckvolles Set aus alten Hits und Titeln ihres aktuellen Albums St. Anger klotzten, haben spätestens seit ihren gerichtlichen Schritten gegen das illegale Herunterladen von Musik im Internet beim jungen Publikum den Ruf der Verräter. Was nichts daran ändert, dass die Musikindustrie CDs skandalös überteuert in den Handel bringt. Eine Diskussion, die dem Pop seit zwei, drei Jahren nicht erspart bleibt.

In der Grube

Was an Metallica und ihrem überzogenen Auftreten inklusive schwarz gekleideter Security mit Kampfhunden allerdings berechtigt angreifbar ist, gilt auch für die meisten anderen Künstler – so sie sich in ähnlichen kommerziellen Bahnen bewegen könnten. Wie am ersten Tag die heute zu Schlagerkünstlern gereiften, intellektuellen Popper Blumfeld in ihrem Lied Verstärker sangen: "Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg." Einmal drin, gibt es nur selten ein Zurück. Der böse Kapitalismus kriegt uns alle!

Rein musikalisch gesehen überzeugten hier an zwei Tagen vor allem der kalifornische Pop-Eklektiker Beck zwischen dem nur selten gespielten Generation-X-Hit Loser, elektronischer Cut-up-Technik und Altherren-Country. Die britischen Placebo legten ein trotz siebenminütigen Stromausfalls begeisterndes Glam-Rock-Set hin, inklusive einer Coverversion des Pixies-Klassikers Where Is My Mind?.

Bei den Berlinern Seeed kam es Donnerstagnacht zu bedrohlicher Publikumsballung. Wir Sind Helden begeisterten Freitagnachmittag trotz strömenden Regens ebenso wie die bärtigen Grandaddy aus den USA oder die schottischen Travis tags zuvor mit sanftem Balladenrock. Der Rest? Vielfalt ist Einfalt. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.8.2003)