Toronto/New York - Als Konsequenz aus dem Stromausfall rechnete Torontos Bürgermeister Mel Lastman in unernstem am Freitag Tonfall mit einem Babyboom: "Ich wette, dass wir in neun Monaten die größte Geburtenexplosion aller Zeiten haben werden". Zugleich appellierte das Stadtoberhaupt an seine Bürger, sich die stromfreie Zeit nicht allzu kuschelig zu machen. Auf Kerzen jedenfalls sollten die Bewohner der größten kanadischen Stadt aus Sicherheitsgründen verzichten. "Man kann darauf nicht ständig ein Auge haben. Da braucht nur der Hund die Kerzenleuchter umstoßen, und die Gardinen fangen Feuer und alles geht in Rauch auf." Er riet zum Kauf von Taschenlampen.

In New York, wo die Boulevardzeitung "New York Daily News" unter Nutzung eines Songs der Popgruppe Red Alert "We've got the Power" titelte, gehören zur allgemeinen Nach-Blackout-Fröhlichkeit auch die allgegenwärtigen Scherze über den angeblich in neun Monaten bevorstehenden New Yorker Baby-Boom. "Wenn es eine Tochter wird", riet ein Rundfunkmoderator, "dann nennen Sie das Kind doch am besten Electra und für einen Buben bietet sich Electric an." Dabei wird allerdings übersehen, dass hunderttausende New Yorker nach dem Blackout gar nicht in die Betten, sondern auf die Straße gegangen sind. "Ohne Klimaanlage", meinte eine Physiotherapeutin aus Brooklyn, "war es doch in den Wohnungen viel zu heiß."

Reich der Legenden

Realismus kommt auch aus anderer Quelle: Nachrichten über einen Babyboom sind beständige Begleiter ungewöhnlicher Ereignisse wie längere Stromausfälle oder Schneestürme. Statistiker haben allerdings Zweifel angemeldet und verweisen die Meldungen ins Reich der Legenden.

Neun Monate nach den beiden New Yorker Blackouts von 1965 und 1977 berichteten die Medien über Kreißsäle, in denen es drei Mal so viele Geburten gegeben haben soll wie normal. Statistiker jedoch widersprachen der Annahme, dass sich daraus ein allgemeiner Babyboom ableiten lasse. Derartige Ausreißer an einzelnen Krankenhäusern seien etwas völlig Normales. Die Statistische Gesamtrechnung für den jeweils in Frage kommenden Geburtenzeitraum habe keine ungewöhnlichen Abweichungen ergeben.

Die Medien hatten für den angeblichen Babyboom vermeintlich einleuchtende Erklärungen: Die Ausnahmesituation habe die Menschen einander schnell näher gebracht. Die Dunkelheit und der Ausfall des Fernsehens hätten das Ihre beigetragen. Auf der anderen Seite vermissten Skeptiker eine einleuchtende Erklärung dafür, warum die New Yorker in ihrer Wut auf die Elektrizitätsgesellschaft, in der Erschöpfung nach den unfreiwilligen Abenteuern und in der brütenden Hitze der Nacht plötzlich auch noch Babys zeugen wollten. (APA/dpa)