Bild nicht mehr verfügbar.

Als Mohammed Khatami Präsident war (1997-2005), suchte Saudi-Arabien das Gespräch mit dem Iran.

Foto: Reuters

STANDARD: Saudi-Arabien steht den Atomverhandlungen mit dem Iran gelinde gesagt skeptisch gegenüber.

Khashoggi: Es ist wohl klar, dass Saudi-Arabien keine iranische Atombombe will: Der Iran zeigt immer wieder sein Interesse an einer hegemonialen Rolle in der Region, wir sehen iranische Aktivitäten weit weg vom iranischen Horizont, bis nach Eritrea. Das macht Saudi-Arabien, das in hegemonialer Konkurrenz zum Iran steht, Sorgen. Natürlich wissen die Saudis, dass der Iran die Atombombe nie gegen Saudi-Arabien einsetzen würde, aber der Iran hätte mit einer Bombe einen strategischen Vorsprung.

STANDARD: Aber die derzeitigen Verhandlungen haben genau das Ziel, ein Waffenprogramm des Iran zu verhindern, Saudi-Arabien geht es - ganz wie Israel - aber offenbar darum, dass der Iran überhaupt kein Atomprogramm haben sollte.

Khashoggi: Saudi-Arabien hat Vertrauen zu den USA, dass sie die iranischen nuklearen Ambitionen unter Kontrolle bringen. Aber die Sorge besteht, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran so entwickeln, dass Saudi-Arabien plötzlich am Rande steht: Wir wollen die USA hingegen klar auf unserer Seite haben. Die Sorge ist entstanden, weil zu beobachten ist, dass sich die USA von regionalen Fragen zurückziehen, die genau jene sind, bei denen Saudi-Arabien mit dem Iran Probleme hat: Syrien, Libanon, Jemen, Bahrain, Irak ...

STANDARD: Was den Irak betrifft, so haben die USA sich aber schon 2003 strategisch von Saudi-Arabien getrennt.

Khashoggi: Ja, und das hat Saudi-Arabien auch immer offen beklagt: Ich kann mich an eine Rede von Außenminister Prinz Saud al-Faisal in Washington erinnern, wo er sagte: "Wir haben Kriege geführt, um die Iraner aus dem Irak draußen zu halten, und die USA haben den Irak den Iranern in einer goldenen Schüssel serviert." Wir sind noch immer davon überzeugt, dass die Irak-Invasion ein großer Fehler war. Saudi-Arabien ist sehr unglücklich darüber, was im Irak passiert - Premier Nuri al-Maliki war noch immer nicht in Saudi-Arabien eingeladen, man traut ihm nicht.

Es geht Saudi-Arabien nicht um eine Politik der Elimination des Iran, der Iran ist nun einmal da, und Saudi-Arabien hat auch die Zusammenarbeit mit den Präsidenten Rafsanjani und Khatami gesucht. Aber diese Versuche sind nach 2003 kollabiert. Die amerikanische Irak-Invasion hat den Iran verändert, ihn aggressiver gemacht, mit Appetit auf mehr.

STANDARD: Wollen die Iraner nur einen Deal über ihr Atomprogramm, oder suchen sie überhaupt die Normalisierung, das heißt, wird es auch mehr Pragmatismus zu Syrien und anderen Fragen geben?

Khashoggi: Der Iran fühlt sich im Moment sehr stark - da gibt es keinen Willen, bei Syrien zu kooperieren. Zum Atomprogramm muss man zwei Dinge wissen: Das Atomprogramm ist ein nationales Projekt, das schon unter dem Schah gestartet wurde, dabei geht es um Nationalstolz und die Größe Irans. Aber für die Islamische Republik ging es auch um Abschreckung: Seit ihren Anfängen fühlte sie sich bedroht, fürchtete angegriffen zu werden.

Nun aber sehen die Iraner, dass es nach der US-Invasion im Irak völlig unwahrscheinlich ist, dass sich die USA auf ein weiteres militärisches Abenteuer einlassen. Seitdem wird das Atomprogramm zur Last - auch die Sanktionen beginnen wehzutun. Dazu kommt der Druck von der Jugend. Der Iran hat erkannt, dass es eine andere Art von Macht gibt, die Wirtschaftsmacht, wie sie etwa die Türkei geschaffen hat. Das wollen sie nun auch. Der Iran befindet sich am Scheideweg: Entweder es wird ein ganz normales Land daraus, in dem es um die Bedürfnisse der der Bevölkerung geht, oder ein Fundamentalistenstaat, der auf die Rückkehr des Mahdi hinarbeitet.

STANDARD: Aber das heißt, der pragmatische Teil des Iran würde auch über das Atomprogramm hinaus pragmatisch denken und agieren.

Khashoggi: Ja, aber sie würden nichts tun, was nicht von der Führung gedeckt ist. Wenn ich ein Iraner wäre, würde ich so fragen: Warum ist Syrien so wichtig für uns? Wegen der Hisbollah und ihrer Lebenslinie? Warum ist eigentlich die Hisbollah so wichtig für uns, dass wir in einen Krieg eintreten, um sie zu schützen? Die Hisbollah sollte eine Partei sein, die die Interessen der libanesischen Schiiten vertritt. Dazu braucht man keine Boden-Luft-Raketen. Um Palästina zu befreien? Sie wissen, dass das nicht ihre Aufgabe ist, sie meinen das nicht ernst. Aber niemand traut laut zu fragen: Warum setzen wir unsere Ressourcen, unsere Kapazitäten und unser internationales Ansehen aufs Spiel? Und auch wenn Syrien "verloren" ginge, dann wäre das nicht das Ende der Hisbollah als politische Partei, sondern höchstens als militärische Kraft. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 18.2.2014)