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Die bulgarische EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa (Bild) soll Opfer einer Schmutzkampagne über Social Media sein.

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Der frühere bulgarische Präsidenten und Sozialistenchef Georgi Parwanow will eine konkurrierende linke Liste für die Europawahlen im Mai aufzustellen.

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Mit Trollen und anderen wüsten Gesellen dunkler Wälder sollte man vorsichtig sein. Diese Erfahrung macht nun auch die bulgarische Europaabgeordnete Iliana Jotowa. Die 49-jährige Sozialistin sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, sie hätte ein PR-Unternehmen in Sofia damit beauftragt, Internet-Trolle in Marsch zu setzen gegen EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa, ebenfalls Bulgarin, nominiert von der konservativen Vorgängerregierung und laut Umfragen stets die populärste unter den sonst unpopulären Politikern des Balkanlandes.

Jeden Monat 50 Kommentare in Internetforen, 150 postings in Facebook und 50 Twittermeldungen mit negativen Äußerungen über die EU-Kommissarin bot die PR-Agentur Leadway Media Solutions an und dankte in einem Mail der Europaabgeordneten Jotowa für die gute Zusammenarbeit. Das berichtete das bulgarische Aufdecker-Portal bivol und bezog sich dabei auch auf Balkanleaks, ein anderes investigativ arbeitendes Internetportal, das in Jotowas Email-Konto eingedrungen war und das hacking auch in einem Video zeigt

Jotowa weist Vorwürfe zurück

Dass Jotowa das Angebot der PR-Agentur auch tatsächlich annahm und für die Verbreitung von Internet-Trollen zahlte, die unter fiktiven  Identitäten Forums-Diskussionen stören oder eben gezielt Botschaften platzieren, geht aus den bisher bekannt gewordenen Emails aber nicht hervor. Jotowa stritt auch ab, dass sie eine Verleumdungskampagne gegen die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe in Auftrag gegeben hätte. "Ich bin keine Fee, die Trolle hat", sagte Jotowa am vergangenen Wochenende in einer Talkshow im bulgarischen Fernsehen: "Ich brauche keine Trolle, weil ich sage, was ich denke."

Kritik an der EU-Kommissarin und der nur langsam angelaufenen Hilfe für die 11.000 syrischen Flüchtlinge in Bulgarien hat die Sozialistin mehrfach öffentlich geäußert. Kollegen in der sozialistischen Fraktion im Europaparlament zeigten sich erstaunt darüber und forderten sie vergangene Woche um Aufklärung auf. In einem Gespräch mit dem Standard in Sofia, das wenige Tage vor der Affäre um die Trolle stattfand, sagte Jotowa, ohne Georgiewa beim Namen zu nehmen: "Die Nothilfe, die Bulgarien im Oktober 2013 versprochen wurde – drei Monate nach dem Beginn der Flüchtlingswelle – ist immer noch nicht angekommen. Die Kommission spricht nicht gern darüber."

Kandidatin für Amt des Premiers

Georgiewa, eine frühere Vize-Direktroin der Weltbank, erklärte hingegen, die EU habe acht Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe an Bulgarien gezahlt. Die EU-Kommissarin wird in Bulgarien als eine mögliche Kandidatin für das Amt des Premiers gehandelt im Fall vorgezogener Parlamentswahlen und eines Siegs der rechten Parteien, der allerdings so knapp ausfallen müsste, dass Ex-Regierungschef Boiko Borissow der Weg zurück an die Macht verwehrt bliebe. Georgiewa hatte im vergangenen Jahr auch die Regierungsproteste gegen die von den Rechtsextremen geduldete wacklige Koalition in Sofia unterstützt.

Die angebliche Schmutzkampagne gegen Georgiewa ist nicht das einzige Problem, mit dem die bulgarischen Sozialisten zu kämpfen haben. Die Ehefrau von Sergej Stanischew, dem Chef der Sozialistenpartei BSP in Bulgarien wie der europäischen Sozialisten (SPE), gab nur nach langem Zögern und auf Druck von Medien einen mit 60.000 Euro dotierten PR-Auftrag des EU-Parlaments zurück. Monika Yosifowa sah kein ethisches Problem darin, dass ihre Active Group LTD Geld für ein Werbeprojekt des Europaparlaments entgegennahm, während ihr Ehemann gleichzeitig die derzeit zweitstärkste europäische Partei anführt.

Linke Liste für die Europawahlen im Mai

Schwer wiegender dürfte die Entscheidung des früheren bulgarischen Präsidenten und Sozialistenchefs Georgi Parwanow sein, eine konkurrierende linke Liste für die Europawahlen im Mai aufzustellen. Parwanow warb bereits den Leiter der sozialistischen Delegation im Europaparlament, Iwailo Kalfin, ab. Jotowa, die sowohl mit Kalfin als auch mit Parwanow jahrelang zusammenarbeitete, machte das fassungslos. "Wir hatten und haben auch jetzt nicht irgendwelche politischen Meinungsunterschiede", sagte sie über Kalfin, einem ehemaligen Außenminister und Präsidentenkandidaten.

In Sofia werde derzeit offenbar an einem politischen Projekt gearbeitet, bei dem die derzeit regierenden Sozialisten nach einer Niederlage bei den Europawahlen in eine große Koalition mit Borissows Partei Gerb eintreten sollen, erklärte Jotowa. Diese Koalition solle als Übergangsregierung bis zu Neuwahlen im Herbst fungieren. Parwanow, der aus irgendwelchen persönlichen Gründen Revanche an seinen Nachfolger Stanischew nehmen wolle, spiele bei diesem geplanten Koalitionswechsel anscheinend eine entscheidende Rolle, meinte Jotowa. Doch Parwanows Konkurrenzliste könnte die Chancen der Linken auf einen Sieg bei den Europawahlen ruinieren, warnt die Politikerin. Die Parwanow-Liste werde den Sozialisten in Bulgarien vielleicht 100.000 Wähler wegnehmen, ohne aber einen Sitz in Straßburg zu erringen. "Unsere europäische Verwantwortung ist groß“, sagte Jotowa: „Wegen dieses einen Sitzes könnten wir die Mehrheit im nächsten Europaparlament verlieren. Diese Mehrheit aber entscheidet, wie Europa aussehen wird; wer der nächste Parlamentspräsident werden wird und natürlich wer der nächste Kommissionspräsident sein wird." (derStandard.at, 17.2.2014)