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Gregor Schlierenzauer sinniert: "Ich kapier die Sportart nimmer."

Foto: Reuters/Pfaffenbach

Im RusSki Gorki Skisprungzentrum wechseln die Winde und die Gesichtsausdrücke. Die Japaner lachen der Entscheidung entgegen, und als offenbar wird, dass Noriaki Kasai beim Springen auf der Großschanze die Goldene um 1,3 Punkte verpasst hat, lachen sie weiter - nur verhaltener. Kasai (41), der sich 20 Jahre nach der Teamsilbernen in Lillehammer Silber für sich allein nimmt, nun ältester Medaillengewinner im Skispringen ist, schelmisch: "Ich wollte Gold haben - und will es noch immer." Also kündigt er an, dass er sich anlässlich der Spiele 2018 in Pyeongchang wieder auf die Schanzen begeben wird, um das Versäumte nachzuholen. Es wäre seine achte Olympiateilnahme und er, Kasai, dann 45.

Die Polen jubeln mit Kamil Stoch, dem Souverän von Sotschi, der auf beiden Schanzen siegt, was 1988 dem Finnen Matti Nykänen und 2002 sowie 2010 dem Schweizer Simon Ammann gelungen ist. Auch die Slowenen klatschen ab, Peter Prevc kriegt nach Silber Bronze. Womit jene drei ganz oben stehen, die auch im Weltcup vorn sind.

Problematische Verhältnisse

Ammann ist zum Plärren. Das Windglück ist ihm im ersten Durchgang genauso wenig hold wie manch aktuellen Kapazundern. Der Schweizer Trainer Martin Künzle sagt: "Schade, dass so ein Wettkampf bei Olympia stattfindet. Die Besten sind trotzdem vorn. Aber wenn die Verhältnisse haben wie ein Ammann oder ein Morgenstern, sind sie das nicht." Noch einmal Künzle: "Das ist ein Sport, der findet draußen statt."

Thomas Morgenstern verpasst wie Tourneesieger Thomas Diethart das Finale, aber seine Geschichte ist eine andere, im Jänner erlitt er bei einem Trainingssturz beim Skifliegen auf dem Kulm ein Schädel-Hirn-Trauma. Ebendort gewann Kasai als bisher Ältester ein Weltcupspringen. "Es hat sich angefühlt wie in alten Zeiten - aber nur ganz kurz, bis der Ski weggeklappt ist. Ein grausiges Gefühl", kommentiert Morgenstern. Aufwind hin, Gegenwind her: "Die Spiele sind für mich eine Woche zu früh gekommen."

Gregor Schlierenzauer, der unmittelbar vor Michael Hayböck Siebenter wird, schaut finster. "Ich hab viel gewonnen, aber ich kapier die Sportart nimmer", sagt er. "Kleinigkeiten machen sehr viel aus. Man geht nur deshalb eine Luke runter, damit der Windkorridor wieder passt, damit man den Durchgang schnell durchziehen kann. Meiner Meinung nach ist das gesteuert, aber wenn man das anspricht", spricht er an, "steht man als schlechter Verlierer da. Diejenigen, die in Topform waren, haben gewonnen."

Offene Fragen...

Schlierenzauer, 52-facher Weltcupsieger, fragt sich auch: "Warum trainiere ich eigentlich so viel? Ich gratuliere Kasai, er gibt mir auch Motivation, aber wenn ein 41-Jähriger eine Medaille macht, muss ich schon Dinge hinterfragen. Uns fehlt die Technik, und beim Material sind wir auch nicht up to date. Das ist ungefähr so, wie wenn der Vettel alles gibt und ein Scheiß-Auto hat." Abgesehen davon ist er der Meinung, dass er, Schlierenzauer, seine Hausaufgaben gemacht habe.

Cheftrainer Alexander Pointner ist ähnlicher Auffassung, was seine, Pointners, Aufgaben betrifft: "An den Vorbereitungen ist es mit Sicherheit nicht gelegen. Wir haben beste Voraussetzungen, Unterkünfte und Trainingsmöglichkeiten."

...und ein fehlender Trainer

Für Gesprächsstoff sorgte zuletzt auch, dass die Stützpunkttrainer von Schlierenzauer und Morgenstern zwar akkreditiert waren, aber nicht mitgenommen wurden. Morgenstern sieht das pragmatisch: "Ein Fußballer hat auch seinen Vereinstrainer und bei der Nationalmannschaft den Marcel Koller. Bei uns gibt es keinen Stunk. Vielleicht hab ich ihn aber auch nicht mitbekommen." Pointner: "Ich habe gemerkt, dass es eine journalistische Kunst ist, gewisse Dinge zusammenfügen, und dann schaut es ungünstig ausgedrückt aus. Deshalb halt ich jetzt den Mund."

Schlierenzauer, Diethart, Hayböck und Morgenstern springen am Montagabend (18.15, Liveticker derStandard.at/Sport) im Mannschaftsbewerb, in dem es bei Olympia und WM seit 2005 ausschließlich österreichische Siege gab. Eine Medaille wäre heilsam. Keine vielleicht auch. (Benno Zelsacher aus Sotschi - 17.2. 2014)