Rania Lahdo ist mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Jordanien geflohen. Seit sechs Monaten hängen sie dort fest.

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In einer syrisch-orthodoxen Schule im Stadtzentrum Ammans drängen sich dutzende Menschen auf den Gang. Sie scharen sich um Journalisten, jeder will seine Geschichte erzählen. Es sind syrische Christen, die in die Hauptstadt Jordaniens geflohen sind und nun hier festhängen. Mindestens 35 Familien hausen hier in den kalten, kahlen Räumen, die nicht zum Wohnen geeignet sind.

In den ehemaligen Klassenzimmern sind provisorisch Vorhänge aufgezogen, es gibt kein warmes Wasser, über die Wände zieht sich der Schimmel. Rania Lahdo, eine junge Frau mit einem Baby auf dem Schoß, beschreibt, wie sie mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern vor sechs Monaten aufbrach.

Ihr Mann sei nur knapp einer Schießerei entkommen. In der Schule, wo sie unterrichtete, seien Lehrer und Kinder gekidnappt worden. Wochenlang habe es keinen Strom gegeben. "Da haben wir uns entschlossen, nach Jordanien zu flüchten", erzählt sie. Aus den geplanten zwei Monaten wurde ein halbes Jahr.

Ein paar Wochen wohnten sie in einer Wohnung, bis ihnen das Geld ausging. Dann fanden sie Unterschlupf in der völlig überfüllten orthodoxen Schule. "Wir haben bei der niederländischen und deutschen Botschaft um Hilfe gebeten", sagt sie. "Doch die haben uns gesagt, wir würden nicht nach Syrien zurückkehren, deswegen lehnen sie uns ab", sagt sie. "Und sie haben recht: Ich würde nicht zurückkehren."

Unkenntnis über Programme

Dass es abseits regulärer Asylverfahren Programme für syrischen Christen in Europa gibt, will noch keiner der Flüchtlinge in der Schule gehört haben. "Erst gestern waren zwei Frauen von UNHCR hier - warum haben sie uns das nicht erzählt?", fragt Rania Lahdo sichtlich empört.

Warum eigentlich nicht? "Niemand kann sich selbst für das Resettlement-Programm auswählen", erklärt Geoffrey Carliez vom Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Amman. Für die Uno gilt, nur wer weder bleiben noch zurückkehren kann, kommt für das Programm infrage. Die Auswahl ist denkbar schwierig bei offiziell 591.000 Syrern in Jordanien. Ob es denn nicht widersprüchlich zur Flüchtlingskonvention sei, dass einzelne EU-Staaten nach Religionszugehörigkeit auswählen? Der UN-Mitarbeiter nickt und zuckt hilflos mit den Schultern.

Mit weniger als 220.000 Mitgliedern stellen die Christen die Minderheit in Jordanien, wo 6,3 Millionen Menschen leben. Die Angst ist groß, dass der Exodus den Einfluss der Kirche in der Region weiter schwächt. Auf die Frage, warum die syrische Christen nicht über die speziellen Programme informiert werden, sagt Erzbischof Maroun Lahham, Patriarchalvikar für Jordanien, das sei nicht in seinem Sinne. "Wir forcieren das nicht. Wir wollen unsere Länder nicht leeren."

Faustpfand ist ein reichlich zynischer Begriff, um die Lage der Flüchtlinge zu beschreiben. "Aber anders kann man es nicht mehr nennen", meint ein ranghoher EU-Beamter, der ungenannt bleiben möchte. Hinter den Kulissen herrsche nicht nur ein Gezerre um die Christen. Auch Deutschland soll es - trotz Besuchen von drei Ministern - nicht gelungen sein, Flüchtlinge aus Jordanien für das humanitäre Aufnahmeprogramm zu holen. Deswegen kommt der Großteil aus dem Libanon. Jordanien möchte lieber Geld für die Betreuung der hunderttausendend Flüchtlinge sehen, als ein paar tausend an Europa abzugeben. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 15.2.2014)