"Sretan rodjendan, Vučko! – Alles Gute zum Geburtstag, Vučko!", singen der mittelalterliche Ban Kulin und König Tvrtko. Auch der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie gratulieren dem Wolf, der im Historischen Museum in Sarajevo am Freitag seinen 30. Geburtstag feierte. Die Schüler des Gymnasiums Obala ließen ihre Performance mit historischen Figuren aus Bosnien-Herzegowina mit einer Feier für das Maskottchen der Winterspiele 1984 enden.
Etwa 300 Exponate zu Vučko und dem Sportfest haben sie gesammelt. Das fröhliche Tierchen mit dem roten Schal, das auf seinen roten Skiern davonbraust und gerne singt, steht im Mittelpunkt der Ausstellung. "Wir wollen das Gefühl von 1984 zurückhaben, obwohl wir die Geschichten darüber nur von unseren Eltern kennen", sagt der 18-jährige Gymnasiast Alem Hamzić. "Das war eine Zeit, wo wir alle eins waren und wo wir von der Welt akzeptiert wurden." 1984 stand Sarajevo tatsächlich auf einem ökonomischen und kulturellen Höhepunkt, fast jeder trug etwas zu den Spielen bei. Und Vučko repräsentierte den Stolz darauf. Auch heute noch gibt es auf dem Berg Jahorina ein Hotel namens Vučko und in einer wöchentlichen Fernsehsendung ist Vučko der Star.
Nicht nur Nostalgie
Tatsächlich geht es aber nicht nur um Nostalgie. Denn 2017 werden die Olympischen Jugendspiele in Sarajevo stattfinden. "Die Erinnerung an 1984 ist hier nicht nur rückwärts gewandt", sagt der Historiker Nicolas Moll, der zu 30 Jahre Olympische Winterspiele in Sarajevo forscht. Es würden bewusst die Jahre 1984, 1914 (der Beginn des Ersten Weltkriegs) und 2017 verbunden. Sarajevo will 2017 wieder sein integratives Gesicht zeigen. Tatsächlich arbeiten für die Jugendspiele das mehrheitlich serbisch besiedelte Ostsarajevo und das mehrheitlich von Bosniaken bewohnte Sarajevo heute schon zusammen. Die Abfahrtshänge nehmen keine Rücksicht auf die Spaltung des Landes. Und Vučko spielt eine integrative Rolle. "In einem so tief gespaltenen Land, ist er eines der wenigen gemeinsamen Geschichtssymbole", sagt Moll. Das Wölfchen heulte vor dreißig Jahren mit lang gezogener Schnauze "Sarajevooooooooo". Der Sänger Zdravko Čolić verlieh dem Maskottchen damals die Stimme.
Vučko ist auch heute präsent: auf Aschenbechern und Wandteppichen, Untersetzern für Gläser, Häferln, als Skype-Bildchen und auf Facebook-Seiten. Er erinnert an eine Zeit, in der alle Jugoslawen stolz waren, als der aus Slowenien stammende Jure Franko im Riesenslalom die Silbermedaille gewann, die erste Medaille für Jugoslawien bei Winterspielen.
Jure Franko kam diese Woche anlässlich der 30-Jahr-Feiern auch nach Sarajevo. Und Christopher Dean und Jayne Torvill tanzten noch einmal den Boléro. 1984 hatten die Eiskunstläufer mit ihrer emotionalen Performance von allen Juroren Höchstpunkte erhalten. Das blieb bis heute einmalig. 1984 bekam hier auch Katharina Witt ihre erste Goldmedaille. Österreichs Ausbeute war hingegen katastrophal. Anton Steiner holte die einzige Medaille – Bronze in der Abfahrt. Ganz anders waren die Spiele für Sarajevo.
Der größte Moment
"1984, das war der größte Moment in der Geschichte der Stadt", sagt der Lehrer Igor Smiljanić, der die Schüler dazu anspornte bei Verwandten, Bekannten und Freunden Vučko-Exponate zu sammeln. Zu sehen ist sogar ein ungeöffnetes Vučko-Bier. Vučko war demokratisch legitimiert. Er war von Zeitungslesern aus sechs Vorschlägen ausgewählt worden. Der Wolf setzte sich gegen eine Bergziege, ein Lamm, ein Streifenhörnchen, ein Stachelschwein und einen Schneeball durch. Er verhalf dem Wolf in Jugoslawien zu einem sanft-lustigen Image.
Die Eröffnung der Ausstellung musste wegen der politischen Proteste in Sarajevo um eine Woche verschoben werden. "Vučko ist jetzt ein wenig konfus, was da los ist, obwohl er schon ein gewisses Alter erreicht hat" , sagt Elma Hasimbegović vom Historischen Museum in Sarajevo. Sie hält den Wolf aber ohnehin für eine "historische Figur", die alle Entwicklungen "vorsichtig beobachtet". (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 15./16.02.2014)