Labt man sich an den Titelblättern der Magazine, könnte man glauben, die Saure-Gurken-Zeit wäre angebrochen. "Dieser Mann weiß alles über Sex", behauptet "Profil" von einem Herrn Volkmar Sigusch, "Doyen der europäischen Sexualforschung". Das muss er wohl sein, denn er "klärt uns restlos auf". "News" hingegen lässt eine lachende Blondine schmettern: "Achtung – Jetzt komme ich", was aber nichts mit angewandter "Sexualforschung" zu tun hat, sondern mit einem Thema, das uns alle betrifft: "So treten Sie ins Rampenlicht. In 23 Schritten zu mehr Selbstvertrauen."

Die Wissenschaftlichkeit des Reiseführers "ins Rampenlicht" erweist sich an der Tatsache, dass es exakt 23 Schritte sind, "die zu mehr Selbstvertrauen" führen. Und welche! Dar­auf wären Sie nie gekommen: "Schau­en Sie Ihrem Gesprächspartner immer in die Augen." Oder: "Üben Sie Ihre Stimmlage in der Ecke eines Zimmers." Auch von Kellnern lernen heißt siegen lernen. "Es ist nämlich erwiesen, dass Kellner, die ihre Gäste leicht berühren, mehr Trinkgeld bekommen. Diesen Trick sollten Sie übernehmen. Berühren Sie Ihr Gegenüber ganz leicht am Arm oder an der Schulter. Das baut Vertrauen auf und bringt zusätzliche Charme-Punkte." Im Idealfall auch noch Trinkgeld.

Unschlagbar der Tipp: "Wollen Sie jemanden kennenlernen, warten Sie am Buffet. Es setzt Endorphine frei, man ist besser gelaunt und hat mehr Lust auf Smalltalk." Dass Warten am Buffet Endorphine freisetzt, wäre ohne "News" vermutlich niemals bekannt geworden. Möglicherweise lässt sich die Freisetzung von Endorphinen intensivieren, wenn man sich an den Tipp hält: "Immer lächeln", aber auch "immer gepflegt sein, von den Fingernägeln bis zu den Schuhen". Sie können sich 23 Tipps nicht merken? "Stärken aufschreiben. Schreiben Sie eine Liste, in der Sie Ihre Stärken aufzählen, und tragen Sie diese immer bei sich. In schwierigen Si­tuationen" – zum Beispiel ein Anfall von Alzheimer – "kann man sie jederzeit hervorholen".

Was der Mann, "der alles über Sex weiß", "Profil" erzählt, muss man nicht wissen. Aber was dieses Wissen an Profit bringt, das schon. "Der Sexualforscher steht andauernd in der Zeitung, alle Medien laufen hinter ihm her, er kann ins Fernsehen, wann er will, und das ärgert natürlich die Kollegen aus anderen Fachgebieten. Als ich angefangen habe, bin ich von älteren Professoren beschimpft worden, weil mein Hörsaal brechend voll war. Bis auf die Straße standen die Schlangen ... Da kommt natürlich Neid auf."

Aber auch viel Lästiges. "Gegen Ende der 1960er-Jahre wollten auf einmal alle Frauen einen Orgasmus haben. Da war irgendwas durch die Medien gegangen, und dann brummte bei uns natürlich das Telefon." Nach der "Profil"-Titelgeschichte wird das eher nicht der Fall sein.

Eher schon nach jener der Sonntags-"Krone". Auf deren Cover prangte der patriotische Imperativ "Holt Gold!" Was nur vordergründig an "unsere Stars im Olympiaeinsatz" gerichtet war, tatsächlich ging es um einen Markenartikel: "Skispringer Gregor Schlierenzauer im intimen Selbstpor­trät über Glücksmomente, Angst und die Frauen in seinem Leben."

Was Letztere betrifft, handelt es sich um "meine Freundin, meine Mutter, meine Schwester", aber er verrät auch "Persönliches und Alltägliches aus seinem aufregenden Leben". Zum Beispiel "der Moment vor dem Absprung, was geht da in Ihnen vor?" Erraten: "Nicht viel und doch Wesentliches. Ich bin bei mir, voll konzentriert und vorfreudig dessen, was gleich folgen wird. Alles andere blende ich aus."

Nicht ausbleiben durfte die Frage: "Interessieren Sie sich für Mode", schließlich wollte die "Krone" zwei Fliegen mit einem Schlag treffen. Daher ist Schlierenzauer zu sehen "in einem Pulli und Kapuzensweater von COS und einem Alpakaschal der Boutique Wubet. Kaschmirstrickjacke von Marc by Marc Jacobs (Dis­-trict 1), Hemd und Sweater von COS und eine Beanie-Mütze von RÄG". Aber auch im "eleganten Anzug von CINQUE, Hemd von Boss, eine Krawatte von Calvin Klein und ein Stecktuch von
P & C (alles gesehen bei Peek & Cloppenburg. Zum Drüberstreuen posiert er in einem Sweater, Hemd, T-Shirt und Jeans von MARC by Marc Jacobs (gesehen im District 1 / Kaufhaus Steffl)."

Alles und mehr in der "Krone"-bunt, denn: Es lebe der Sport. Dabei hätte Schlierenzauer das gar nicht nötig. Er steht zwar "schon auf lässige Mode", aber "deshalb habe ich ja auch meine eigene Kollektion designt". (Günter Traxler, DER STANDARD, 15./16.2.2014)