Auch Grubenkraut (Foto) wird im Merkur am Hohen Markt erhältlich sein.

Foto: Slow Food

Slow Food und Großkonzern, das scheint nicht zusammenzupassen: hier die Vorkämpfer für den Erhalt gewachsener Lebensmitteltraditionen, denen es um Sauberkeit, Fairness, Qualität geht - und da der Supermarktkonzern Rewe, der seine Produkte jahrelang unter eine "Tiefpreislatte" quetschte, in der Kommunikation gleichwohl die heile Herkunft seiner Produkte vorgaukelt und der erst im Vorjahr wegen Preisabsprachen verurteilt wurde.

Sensorik-Seminare und die "Schule des Geschmacks"

Dass die ungleichen Partner zueinanderfinden können, will Barbara Van Melle als Chefin von Slow Food Wien ab Mai beweisen, wenn im Edel-Outlet von Merkur am Hohen Markt eine Reihe echter Slow-Produkte erhältlich sein wird, die man bisher nur ab Hof oder auf Wochenmärkten erstehen konnte. Und nicht nur das: Mindestens einmal pro Woche wird es Sensorik-Seminare und die "Schule des Geschmacks" geben, um den Unterschied zwischen handwerklich und industriell hergestellten Lebensmitteln zu erschmecken. Vorerst soll die Kooperation als Pilotprojekt für ein Jahr laufen.

"Klar ist das ein gewagter Schritt, der nicht nur positiv gesehen werden wird", sagt Barbara Van Melle. Sie habe mit ihren Mitstreitern darauf geachtet, dass strenge Kriterien angewandt werden. "Neben den Lebensmitteln, die wir in der Arche des Geschmacks unter besonderen Schutz gestellt haben (Elsbeere, Tauernroggen, Grubenkraut u. Ä., Anm.), sind das etwa Rohmilchkäse, Brot ohne Zusatzstoffe von handwerklich arbeitenden Bäckern, Gemüse von Gärtnern, die noch in Erde kultivieren und nicht auf Monokultur setzen, Fleisch von bedrohten Rassen wie dem Waldviertler Blondvieh, das noch auf der Weide heranwächst."

Für viele herausragende Produzenten "ist es schwer, von dem zu leben, was sie tun. Wenn sie über die Runden kommen sollen, dann müssen wir ein Risiko eingehen", so Van Melle. "Zum Terra-Madre-Treffen im Rathaus kamen 21.000 Menschen, da war die häufigste Frage, wo man diese Produkte auch kaufen kann." In Merkur hofft Van Melle, einen Partner gefunden zu haben, der "sich wirklich auf uns einlassen möchte". So ist fix vereinbart, dass auch Merkur-Verkäufer in Exkursionen die Produzenten kennenlernen - um den Unterschied zwischen Industrieware und Handwerk zu erleben, aber auch, weil es "für Slow Food ganz zentral" sei, dass alle Beteiligten fair teilhaben und eingebunden sein können. (corti, DER STANDARD, 15.2.2014)