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Michael Grabner von den New York Islanders traf zum Turnierauftakt gegen Finnland gleich dreimal.

Foto: APA/Fohringer

Die Faceoffs, virulente Schwachstelle im österreichischen Spiel. Nur Thomas Koch konnte zumindest ausgeglichen bilanzieren.

So derb ein von der Anzeigetafel leuchtendes 4:8 nach 60 Minuten auf den ersten Blick auch scheinen mag, die Rückkehr der rot-weiß-roten Eishackler auf die olympische Bühne nach zwölf Jahren Abwesenheit war weder ernüchternd noch richtig schlecht. Gegner Finnland, bei vier der letzten fünf Austragungen Medaillengewinner, zeigte zwar mehrfach die Unzulänglichkeiten im Defensivverhalten der Mannschaft von Emanuel Viveiros auf, im Gegenzug verstand es Österreich jedoch auch, im Spiel nach vorne einige Ausrufezeichen zu setzen. Das Duell mit Suomi lieferte für Rot-Weiß-Rot fünf zentrale Erkenntnisse.

Erstens: Abwehr nicht kompakt genug

Kaum ein Wort dürfte im österreichischen Eishockey-Sprachgebrauch öfter verwendet werden als "kompakt", doch kein Adjektiv beschreibt die an die Defensivabteilung des Team Austria im weiteren Turnierverlauf zu stellende Anforderung besser. In der eigenen Zone muss sich das Verhalten der Mannschaft in allen Teilaspekten verbessern: Mobilität, Stellungsspiel, Übergaben. Zu häufig brachten sich in der Partie gegen Finnland Abwehrspieler um die Früchte der eigenen Arbeit, indem sie wenige Sekunden nach gewonnenen Zweikämpfen die Scheibe leichtfertig verspielten. Zu oft gelangte nach Rebounds von Goalie Starkbaum der Gegner an den Puck, zu selten funktionierte die Übergabe der bewegungsfreudigen finnischen Angreifer.

Bestes Beispiel: der Verlusttreffer zum 2:3 in der Schlussminute des ersten Abschnitts. Beim Faceoff in der eigenen Zone wählt man eine enorm defensive Formation, konzentriert gleich vier Spieler im Slot. Thomas Koch verliert den Scheibenaufwurf, vier in die Aktion involvierte Finnen narren fünf Österreicher, die 20 Sekunden lang nicht die geringste Chance haben, den Puck zu erobern. Am Ende der Sequenz ist es der zum Zeitpunkt des Bullys weit abseits des Geschehens positionierte Verteidiger Olli Määtä, der von der blauen Linie aus Bernhard Starkbaum bezwingt, dem gleich zwei in der Schusslinie stehende Mitspieler die Sicht nehmen.

Um Stabilität in die Hintermannschaft zu bringen, sollte eine Abkehr vom Kurs erfolgen, kontinuierlich acht Verteidiger einzusetzen. Österreichs Abwehrspieler brauchen regelmäßigere Wechselintervalle, einen besseren Rhythmus. Vier der sechs Sieger des ersten Olympia-Spieltags agierten mit standardmäßig sechs Defendern und einem alternierend aufs Eis geschickten siebenten. Die Paare Pöck/Ulmer und Trattnig/Lakos funktionieren, dazu ein drittes Duo und ergänzend einen siebenten Mann für Spezialsituationen wie Über- und Unterzahl, das wäre der Weg, um die Defensive kompakter zu machen.

Zweitens: Katastrophal am Bullypunkt

Die bereits im Vorfeld des Turniers erwartete Schwäche beim Faceoff stellte sich im Auftaktspiel noch deutlich dramatischer dar. Österreich gewann nur 28 Prozent der Duelle am Punkt, obwohl Finnlands Mittelstürmer in dieser Kategorie nicht unbedingt das Prädikat Weltklasse tragen. Von den rot-weiß-roten Centern konnte sich nur Thomas Koch achtbar aus der Affäre ziehen (siehe Grafik links), stellte sich ein anderer Spieler, bedeutete das meist Scheibenbesitz und in der Folge Torchance für Suomi.

Symptomatisch dafür das vorentscheidende 2:4. Michael Raffl verliert das unmittelbar an den dritten finnischen Treffer anschließende Bully im Mittelkreis, verharrt danach zu lange in der neutralen Zone. Immonen und Väänänen bringen den Puck rasch zu Lehterä, der Thomas Vanek abschüttelt und über den rechten Flügel in das Angriffsdrittel eindringt. Querpass auf den nachstoßenden Faceoff-Gewinner Immonen, der im Slot zum Abschluss kommt und seinen eigenen Rebound verwerten kann. Die Tore drei und vier der Finnen trennen nur acht Sekunden, beiden Treffern gehen zwei aus österreichischer Sicht verlorene Scheibenaufwürfe binnen 27 Sekunden voraus.

Drittens: Zu viele Torschüsse, zu viele Rebounds

Die fehlende Stabilität der Abwehr, gepaart mit oft inadäquater Arbeit der Angreifer nach hinten, ermöglichte es Finnland, insgesamt 52 Torschüsse auf Bernhard Starkbaum abzugeben. Seit 30 Jahren, als die Tschechoslowakei bei einem 13:0-Sieg 55-mal auf Michael Rudmann feuerte, sah sich im olympischen Rahmen kein österreichischer Goalie mehr mit so vielen Schüssen konfrontiert. Auch der Vergleich mit den anderen elf in Sotschi vertretenen Teams zeigt: Keine Mannschaft bot am ersten Spieltag ihrem jeweiligen Gegner mehr Gelegenheiten zum Torerfolg an.

Erschwerend hinzu kommt, dass die Abstimmung zwischen dem Schlussmann und seinen Vorderleuten noch deutlich ausbaufähig erscheint. Fast vier Wochen nach seinem letzten Einsatz in einem Bewerbsspiel ließ Bernhard Starkbaum (zu) viele Scheiben prallen, meist landete der Rebound bei den Finnen, die davon sowohl bei ihrem vierten als auch ihrem fünften Treffer profitieren konnten.

Viertens: Gute physische Präsenz

Doch wie eingangs erwähnt, das Eröffnungsspiel bot aus österreichischer Sicht trotz eindeutigen Ergebnisses auch viel Positives. Vordergründig ist hier die starke physische Präsenz des Team Austria zu nennen - in der Vergangenheit nicht unbedingt ein primäres Charaktermerkmal des Nationalteams. Offensiv wie defensiv wurden Checks sauber zu Ende gefahren, nicht nur einmal fanden sich NHL-erprobte Finnen am eigenen Hosenboden sitzend wieder. Michael Raffl, Thomas Pöck, Matthias Trattnig und Manuel Latusa ließen den Gegner mehrfach ihren Körper spüren, mit dieser harten, sich jedoch mit einer Ausnahme stets klar innerhalb des Regelwerks bewegenden Gangart hatte Suomi im Vorfeld der Partie nicht gerechnet. Besonders positiv: Anders als bei vergangenen Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen kamen die Österreicher in der Auftaktpartie nahezu gänzlich ohne Stockfouls aus - ein deutlicher Fortschritt.

Fünftens: Zweiter Block mit durchschlagendem Erfolg

In Ermangelung an in Sachen Spielgestaltung ausreichend begabter Mittelstürmer zeichnete sich schon während der Vorbereitung auf Olympia ab, dass Emanuel Viveiros auf der zweiten Centerposition ein Experiment wagen würde. Die Entscheidung, Michael Raffl in die Mitte zu ziehen, erwies sich als goldrichtig, gemeinsam mit Michael Grabner und Brian Lebler bildete er Österreichs mit Abstand gefährlichste Angriffsformation. Besonders augenscheinlich wurde die hervorragende Chemie in dieser Linie beim dritten Treffer des Tages: Brian Lebler erarbeitete sich am rechten Flügel Handlungsspielraum, verzögerte im Scheibenbesitz, während Michael Raffl im Zentrum den verbleibenden Verteidiger binden und Michael Grabner seinem Gegenspieler entkommen konnte, um Leblers präzisen Pass zu verwerten.

Nur wenige offensive Akzente konnte hingegen die erste Linie setzen. Die schon bei der letztjährigen A-Weltmeisterschaft schmerzlich vermisste Harmonie zwischen Thomas Koch und Thomas Vanek bleibt weiterhin verborgen, das um Oliver Setzinger ergänzte Duo kam kaum zur Geltung oder zu Torchancen. Österreichs Gegner legen in ihrer Defensivarbeit natürlich besonderes Augenmerk darauf, den Aktionsradius des NHL-Torjägers Vanek einzuschränken, will das Team Austria dieses olympische Turnier zu einem erfolgreichen machen, muss es jedoch einen Weg finden, das Angriffsspiel seiner Einserlinie zur Entfaltung zu bringen. (Hannes Biedermann, derStandard.at, 14.2.2014)