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Volker Plass: Sorgen der Unternehmer unbekannt.

Foto: Ap/Ronald Zak

Zu jenem "Glück", vor dem - frei nach Torbergs Tante Jolesch - der Herrgott abhüten möge, gehört, vom ÖVP-Wirtschaftsbund gerettet zu werden.

Denn eines weiß der Kleinunternehmer gewiss: Wenn ÖVP-Wirtschaftsbündler wie Christoph Leitl, Brigitte Jank und Peter Haubner vor die Mikros treten, wenn von einem "erfolgreichen Verhandlungsabschluss mit der Regierung" die Rede ist und im Hintergrund bereits die mit Zwangsbeiträgen geölte Werbemaschinerie der Kammer anläuft, wurde wieder einmal eine "österreichische Lösung" ausgedealt: irgendein fauler und schwachsinniger Kompromiss, der wie schon so oft in irgendeinem Paragrafen irgendeines Gesetzes irgendeine zusätzliche Ausnahmebestimmung bringt und angeblich alles wieder gutmacht - alles, was davor von genau denselben Wirtschaftsbündlern in ihrer Rolle als ÖVP-Politiker verbockt wurde.

Welch wunderbare Neuigkeiten dringen an unser Ohr: Wir Selbstständige dürfen jetzt nicht mehr in Wertpapiere, sondern nur mehr in Wohnbau-Darlehen investieren, um den Gewinnfreibetrag und damit die Gleichbehandlung mit den Angestellten zu erreichen. Fabelhaft! Und Firmengründer haben jetzt etwas mehr Zeit, das Stammkapital ihrer GmbH light auf die bisherigen 35.000 Euro aufzustocken. Also Verhöhnung nur mehr im Zeitlupentempo. Garniert mit Handwerkerbonus und Gratiszahnspange. Sensationell!

Wo war denn ein Christoph Leitl, als all die neuen Belastungen und Belästigungen rund um die GmbH light und den Gewinnfreibetrag ins Koalitionsabkommen hineingeschrieben wurden? Während der Wirtschaftskammerpräsident in der hübsch titulierten Arbeitsgruppe "Wachstum und Beschäftigung" saß, schnürten die Landeshauptleute in der Arbeitsgruppe "Finanzen" das neue Belastungspaket. Federführend waren dort der ehemalige Lehrer Josef Pühringer und der Arbeiterkämmerer Andreas Schieder, denen Anliegen und Sorgen der Kleinunternehmer wahrscheinlich nicht einmal vom Hörensagen bekannt sind, die aber Million um Million zusammenkratzten, um ihre kollektive Reformunwilligkeit und das seit Jahrzehnten gemeinsam praktizierte Regierungsversagen weiter finanzierbar zu halten.

Und wo war Christoph Leitl, als im ÖVP-Parteivorstand über das Koalitionsabkommen abgestimmt wurde? Von einem Widerstand des Präsidenten oder gar seiner Gegenstimme war nichts zu hören, jedoch setzte schon kurz darauf sein Wehklagen über das soeben Ausverhandelte und einstimmig Beschlossene ein. Ist das vielleicht das langjährige Geschäftsmodell des ÖVP-Wirtschaftsbundes?

Zuerst verspricht und fordert man als Interessenvertreter das Blaue vom Himmel herunter. Dann ist man in seiner Rolle als Gesetzgeber bei allen Jenseitigkeiten und Grauslichkeiten, bei allen Belastungen und Verkomplizierungen, beim gesamten Schuldenmachen und Augenzudrücken der letzten 27 Jahre mit dabei. Und dann fährt man wieder zurück vom Parlament in die Wirtschaftskammer, wo man sich über alles publikumswirksam aufregt, was man selbst verpfuscht hat.

Von dieser Taktik haben wir Unternehmer wirklich genug: von einer Wirtschaftspolitik, die als große sadomasochistische Inszenierung daherkommt, bei der man gefälligst hocherfreut, dankbar und glücklich sein soll, dass der soeben zugefügte Schmerz wieder nachlässt. Wir Unternehmer haben keine Lust mehr, ständig vom ÖVP-Wirtschaftsbund "gerettet" zu werden! Ein "Retter", der jene Unfälle, bei denen er dann zu Hilfe eilt, ständig selbst verursacht, ist nicht Teil der Lösung, sondern das eigentliche Problem. (Volker Plass, DER STANDARD, 14.2.2014)