Modebewusster Trickbetrüger: Christian Bale (re.) mit Bradley Cooper.

Foto: Tobis

Wien/Berlin - In David O. Russells quietschvergnügter 70er-Jahre-Gaunerkomödie American Hustle verkörpert Christian Bale den Trickbetrüger Irving Rosenfeld, einen flamboyanten Lebemann, der zur Kooperation mit dem FBI gezwungen wird. Der in Wales geborene Schauspieler ist für den Part, der ihm auch eine rundlichere Statur und eine eher unvorteilhafte Frisur einbrachte, für einen Oscar nominiert. Auf der Berlinale machte ihm jedoch gerade sein Festivalausweis zu schaffen: "Sie haben ein Foto aus American Psycho dafür genommen, das Bild eines eitlen Serienmörders!"

STANDARD: Warum ist Ihnen die physische Anverwandlung so wichtig? Für "The Fighter", Ihren ersten Film mit David O. Russell, haben sie viel Gewicht verloren. Der Trickbetrüger in "American Hustle" geht nun in die andere Richtung.

Bale: Das Körperliche gehört zum Leben, und es liefert viele Informationen. Ich habe sofort ein Bild von Ihnen: Ich sehe Ihren Schal, Ihren Körperbau, die Bartstoppeln ... Das ist natürlich nicht alles, Geist und Herz sollten das Wichtigste sein. Aber wenn man zwei Stunden hat, um eine Geschichte zu erzählen, ist der erste Eindruck immens wichtig. In American Psycho gab es keine andere Option, als Patrick Bateman über Äußerlichkeiten zu porträtieren: Das bestimmt, was er ist. Bei American Hustle verhielt es sich anders: Das Drehbuch war zuerst ein plotorientierter Thriller.

STANDARD: Die Komödie fehlte ganz?

Bale: Es gab komische Momente, aber das Buch war nicht auf die Figuren konzentriert. Ich habe mir einen glatten, angeberischen Betrüger vorgestellt, der sich als Erfolgsmann ausgibt, damit ihm andere Leute Vertrauen schenken. Ich habe kein Problem damit, Figuren zu spielen, die ich nicht mag. Aber es muss einen Grund dafür geben. Irving Rosenfeld bot dafür zu wenig Reibungsfläche. Also bin ich mit David durch den Garten spaziert und sagte ihm, es gehe um jemanden, der sich selbst neu erfinden will.

STANDARD: Auf welche Weise hat sich das konkretisiert, als Sie Melvin Weinberg getroffen haben, das reale Vorbild für die Rolle?

Bale: Er kam zu mir zum Abendessen und entpuppte sich als wunderbarer Geschichtenerzähler. Und ich war von seinem Aussehen beeindruckt: ein rundlicher Typ, der seine Anzüge ziemlich ausfüllte. Auf Fotos trug er stets Sonnenbrillen und diese Frisur, mit der er seine kahlen Stellen überdeckt. Und dazu dieser Bauch - und die Zigarren! Ich sagte zu David, er sei bezaubernd, ich müsse so aussehen wie er. Er wirkte eben nicht glatt und cool, sondern wie jemand, den man mögen muss. Und wir wollten die Zuschauer ja verwirren: Dieser Mann stiehlt Geld, zugleich ist er jedoch ein Romantiker. Jemand, der sehr einsam ist und jemanden sucht, der ihn so liebt, wie er wirklich ist.

STANDARD: Sie sagten, das Drehbuch sei noch anders gewesen. Wie verändert sich das beim Dreh?

Bale: David hat ein Ensemble und ein schönes, aber vollkommen aufgeblähtes Drehbuch von vielleicht 190 Seiten: Es gibt viel zu entdecken und zu verwerfen. Aus dem Wissen um das Material, der gemeinsamen Recherche, den Schauplätzen bezieht man Vertrauen. Mit David sucht man nicht verzweifelt die Erfüllung von dem, was man ursprünglich vorhatte. Es ist die Umarmung des Nicht-Vollendeten - und eben kein Perfektionismus.

STANDARD: Dieses Laissez-faire-Prinzip passt gut zur Handlungszeit des Films, den 70er-Jahren. Wie hat das die Arbeit beeinflusst?

Bale: Ich bezeichne es gerne als Jahrzehnt eines einzigen, langen Halloweens. Vieles im Film erzählt von der Lust, sich über Mode auszudrücken. Das ist etwas anderes als ein Kostüm. Für Rosenfeld ist das wichtig, er ist Performer - für ihn gab es kein besseres Jahrzehnt, weil es so laut war.

STANDARD: Den Dreh von "American Hustle" stelle ich mir sehr lustig vor: als eine Art Faschingsset. Täuscht das?

Bale: Die Arbeit wird zum Spaß, wenn sie zufriedenstellt. Manchmal kann es auch die Hölle sein, nur damit es am Ende stimmt. Es gab Zeiten am Set, da haben wir nur gestritten: Bradley Cooper mit Jennifer Lawrence, David und ich, die Crew-Leute ... Der Punkt ist: So läuft das im Leben. Am Ende umarmt man sich wieder und sagt: "Ich liebe dich, du Mistkerl!" Ich betrachte es als wunderschönes Durcheinander der Freiheit.

STANDARD: Sie haben auch wieder mit Terrence Malick gedreht: Wie lässt sich dessen Freiheit mit jener von Russell vergleichen?

Bale: Terry hat sich von der üblichen Logik des Produktionsprozesses befreit, das Ergebnis einer langen Experimentierphase - deswegen ist er, glaube ich, jetzt so voll Feuer. Er fühlt, dass er eine Methode gefunden hat. In The New World gab es noch ein Drehbuch, an das wir uns freilich nicht die ganze Zeit hielten. In Knight of the Cups gab es keine einzige Seite mehr - er beschrieb mir bloß lange meine Figur, ich habe Bücher gelesen, aber beim Dreh gehe ich ins Offene. Manchmal sagt er dir einen Satz, der ihm gefällt. Das lässt sich mit nichts vergleichen.

STANDARD: Ihr erster Film war "Empire of the Sun" von Steven Spielberg 1987. Da waren sie zwölf. Woran erinnert man sich da?

Bale: An eine ganz besondere Erfahrung. Eine, bei der man noch nicht an das Ergebnis, an kein Produkt dachte - das ist etwas sehr Gesundes. Das hätte ich gerne so beibehalten. Man macht etwas, setzt etwas um - und erwartet sonst nichts. Ich habe es sehr genossen. Erst danach wurde vieles kompliziert: die Anonymität, die Jugend, unerwartete Überraschungen. Dinge, die nicht passten, die man aber dennoch macht. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 14.2.2014)