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Relevant ist dieses EuGH-Urteil nicht nur für den Bereich der Online-Suche von Gebrauchtwagen, sondern prinzipiell für all jene Bereiche, in denen Suchinstrumente oder Metasuchseiten eingesetzt werden, etwa bei Immobiliensuche, Jobsuche, Reiseangeboten oder Flugtickets.

Foto: APA/Ole Spata

Das Auslesen von Daten aus fremden Datenbanken im Netz - auch "Screen Scraping" oder "Crawling" genannt - hat durch sogenannte Metasuchmaschinen einen neuen Höhepunkt erreicht: Diese durchsuchen und/oder übernehmen systematisch und automatisch Inhalte von fremden Datenbanken. Im Fall eines niederländischen Betreibers hat der Europäische Gerichtshof nun seine Rechtsprechung zum besonderen Schutz für Datenbanken um eine Facette erweitert: Laut EuGH-Urteil vom 19. 12. 2013 (C-202/12) ist das Auslesen unzulässig, wenn die Metasuchmaschine ihren Nutzern ein spezielles Suchformular zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe die Suchanfragen der Nutzer "in Echtzeit" übersetzt und Inhalte geschützter Datenbanken Dritter durchsucht und damit weiterverwendet werden.

Im Ausgangsfall betrieb die klagende Partei eine Website mit einer Online-Inseratesammlung für Gebrauchtwagen, die rund 200.000 Angebote enthält und täglich aktualisiert wird. Die beklagte Partei, Innoweb, betrieb eine Metasuchmaschine für Angebote von Gebrauchtwagen, die unter anderem die Suchmaschine der Klägerin nutzte, indem sie die Anfragen ihrer Nutzer zu deren Suchmaschinen weiterleitete. Sobald also der Nutzer den Suchauftrag in der Metasuchmaschine abschickte, durchsuchte diese gleichzeitig mehrere fremde Inseratesammlungen. Dazu wurde die Suche der Kunden lediglich in das für die Durchsuchung der Drittwebsites erforderliche Format "übersetzt". Anders als etwa Google, das auf Algorithmen basiert, griff die Echtzeitabfrage der beklagten Metasuchseite aufgrund ihrer Programmierung auf die Suchmaschinen der Drittdatenbanken zurück und führte ohne weiteres Zutun die Suchanfragen der Nutzer aus.

Im Ausgangsverfahren stand nicht (mehr) zur Diskussion, ob die Inseratesammlung der Klägerin eine geschützte Datenbank im Sinne der Datenbank-Richtlinie ist. Dazu hatte der EuGH bereits umfassend entschieden (etwa in C-203/02, C-46/02 und C-545/07) und Art und Umfang wesentlicher Investitionen für den Datenbankschutz spezifiziert. Die Richter mussten im vorliegenden Fall nur klären, ob die Tätigkeit des Metasuchseitenbetreibers eine unzulässige Weiterverwendung von fremden Inhalten solcher geschützten Datenbanken ist und durch den klagenden Datenbank-Berechtigten verboten werden kann. Dabei argumentierte die beklagte Partei, es fänden bloß Einzelabfragen und nicht eine Verwendung der gesamten Datenbank oder wesentlicher Teile daraus statt.

Investitionsschutzrecht

Die Datenbankrichtlinie sieht einen EU-weit harmonisierten urheberrechtlichen Schutz, ein sogenanntes Investitionsschutzrecht "sui generis" für Hersteller von Datenbanken vor. In Österreich wurde die Datenbank-RL durch § 76d UrhG umgesetzt, die dem Hersteller unter anderem das Recht gibt, andere von der Entnahme bzw. Weiterverwendung aller oder wesentlicher Teile der Datenbank auszuschließen. Dieses Recht kann mit Unterlassungsklage (§ 81 UrhG) durchgesetzt werden.

Im niederländischen Fall entschied der EuGH, dass es sich um eine "Weiterverwendung" im Sinne der Datenbankrichtlinie handelt. Laut EuGH umfasse dieser Begriff jede Form öffentlicher Verfügbarmachung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der geschützten Datenbank durch die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, insbesondere durch Online-Übermittlung. Dem Hersteller der Datenbank würden jene Einkünfte entzogen, die es ihm ermöglicht hätten, die Kosten seiner Investitionen zu amortisieren.

Zudem betonte der EuGH, dass sich die Tätigkeit der Metasuchmaschine nicht darauf beschränke, dem Nutzer Informationen zu einem bestimmten Thema zu liefern. Sie habe vielmehr zum Ziel, jedem Endnutzer ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das es ihm ermöglicht, alle Daten einer fremden (geschützten) Datenbank zu durchsuchen und ihm damit Zugang zu ihrem gesamten Inhalt über einen alternativen Weg zu gewähren. Der Endnutzer brauche deshalb nicht mehr die Website der Datenbank aufzusuchen, da er deren Inhalt "in Echtzeit" über die Website der Metasuchmaschine konsultieren kann. Die Tätigkeit der Metasuchmaschine, so der EuGH, komme außerdem der Herstellung eines parasitären Konkurrenzprodukts sehr nahe.

Kriterien für Unzulässigkeit

Laut EuGH sind besondere Indizien für die unzulässige Übernahme bzw. Verfügbarmachung von Datenbankinhalten, wenn folgende Kriterien vorliegen:

  • Die Metasuchmaschine stellt ein Suchformular zur Verfügung, das Suchanfragen der Endnutzer in Echtzeit in die fremde Suchmaschine übersetzt, sodass alle Inhalte der (fremden) Datenbank durchsucht werden.
  • Dem Endnutzer werden die Ergebnisse unter dem Erscheinungsbild der Metasuchmaschine präsentiert, zumal Dubletten zusammengeführt, aber in einer Reihenfolge dargestellt werden, die auf vergleichbaren Kriterien basiert, wie sie von der fremden (geschützten) Suchmaschine für die Darstellung der Ergebnisse verwendet werden.

Relevant ist dieses EuGH-Urteil nicht nur für den Bereich der Online-Suche von Gebrauchtwagen, sondern prinzipiell für all jene Bereiche, in denen Suchinstrumente oder Metasuchseiten eingesetzt werden, etwa bei Immobiliensuche, Jobsuche, Reiseangeboten oder Flugtickets. Umfassende EuGH-Rechtsprechung zum Sui-generis-Datenbankschutzrecht liegt vor. In Deutschland ist derzeit ein Fall der Weiterverwendung von Daten aus einer Flugticket-Datenbank vor dem deutschen Bundesgerichtshof anhängig (dazu Urteil aus zweiter Instanz: OLG Hamburg, 22. 1. 2013, 5 U 38/10). Urteile von österreichischen Gerichten sind, soweit ersichtlich, bisher nicht vorhanden. (Arthur Stadler, DER STANDARD, 12.2.2014)