Ooooops! Nur noch neun Wochen! Oder - wenn Sie das hier lesen - nur noch acht. Denn nur, weil es draußen grad nicht so aussieht, ist nicht nur der Frühling ante portas, sondern auch der Vienna City Marathon. Mitte April nämlich - und bis dahin sind es nur noch ein paar Wochen. Höchste Zeit also, in das unverbindliche Herumgelaufe wieder eine Spur von Struktur zu bringen - auch wenn es nicht um irgendwelche Zeiten geht, sondern nur ums halbwegs schmerzbefreite Durchkommen.

Foto: Thomas Rottenberg

Ich habe mit dem VCM noch eine Rechnung offen. Schon allein, weil es nervt, von den lieben Mitläuferinnen ständig gefragt zu werden, ob ich schon einen konkreten Plan habe, wie ich mich heuer beim oder knapp vor dem Lauf "schrotte" - oder ob ich zu improvisieren gedenke. Mit Spott und Häme habe ich mittlerweile zu leben gelernt.

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Aber "Durchkommen" heißt eben, (aller-)spätestens jetzt jene Bausteine wieder zu forcieren, die ein bissi zach sind: "Intervalle. Treffpunkt: Schönbrunn. Haupteingang", befahl Helena also. Und obwohl wir sonst mittlerweile in recht großen Rudeln laufen, ist das beim Schnell-langsam-schnell-Wechselspiel ein bisserl schwierig: Da sollte dann nämlich doch jeder nach individuellen Werten und Zielen laufen. Das passt aus zwei Gründen nicht zum geselligen Rudelrennen. Unterschiedliche Tempi eben. Und: Wer unter Volllast noch gemütlich tratschen kann, der ist nicht einmal in Sichtweite seiner Limits.

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Aber man kann ja improvisieren: In Schönbrunn kann man - frei nach dem Motto Leopolds II., dass in seinem Reich "jeder nach seiner Fasson" glücklich werden solle - wundernette Schleifen laufen und sich gleichzeitig die Latte exakt so hoch legen, wie man es gerade will oder braucht, ohne die eigene Gang ganz aus den Augen zu verlieren. Weil man einander alle paar Minuten ohnehin wieder über den Weg läuft.

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Kollege F. aus der STANDARD-Chronikredaktion hat das einmal einen Tick zu ehrlich formuliert: Man müsse in Schönbrunn nur die richtige Route wählen, um den hübschesten Läuferinnen der Stadt immer wieder zu begegnen. "Du kannst zuerst hinten nachlaufen, dann biegst du ab - und kommst ihnen fünf Minuten später entgegen."

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Abgesehen davon hat Schönbrunn aber auch einen echten Trainingsvorteil: Die Routenwahl zwischen Parkett und Gloriette lässt wenige (oder mehrere) Höhenmeter in jedes Training einbauen - und zwar ziemlich beliebig. Während man so was anderswo ziemlich genau planen muss, kann sich jeder und jede in Schönbrunn "on the go" entscheiden.

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Das mit dem Socialising im Schlosspark hat aber auch im Non-Balzbereich Vorteile. Nicht nur, weil man hier anhand von Läuferdichte, Tempi und Verbissenheit recht gut abchecken kann, ob irgendein größerer Lauf am Horizont steht. Man kommt auch ganz gut miteinander ins Gespräch. Wobei: Mein Französisch war schon in der Schule grottig. Aber Jerome und seine beiden Freunde (Just und José Manuel, der eine aus Togo, der andere halb Spanier, halb Franzose) waren zu höflich, mir zu sagen, dass "eingerostet" ein Hilfsausdruck ist. Außerdem schnauften sie auch ganz schön: Bubenspiele. Keiner will als Erster vom Gas.  

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Der in Wien lebende und über Österreich schreibende Journalist Jerome trainiert regelmäßig in Schönbrunn - und läuft auf der ganzen Welt: In drei Wochen startet er in Tel Aviv zum Marathon. Es wird sein 43. Fünf erfolgreich absolvierte "Ultras" sind da nicht eingerechnet. Natürlich bloggt Jerome übers Laufen. Aber auch über Österreich.  Einen ganz besonderen Pick hat er allem Anschein nach auf den LCC. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal. Ich habe irgendwie das Gefühl, Jerome nicht zum letzten Mal beim Laufen getroffen zu haben.

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Bekanntschaften beim Laufen zu schließen ist immer ein bisserl wie Speed-Dating. Aber unter verschärften Bedingungen. Es kann lustig und erfrischend sein, aber in der Regel haben Menschen beim Laufen anderes im Kopf, als neue Bekanntschaften zu schließen. Auch weil man sich gerade bei körperlicher Anstrengung oft ein bisserl anders wahrnimmt, als die Umwelt einen sieht. Dass der oder die andere ja auch gerade wenig Ressourcen hat, um selbst cool und überlegen und entspannt zu wirken, vergisst man - verschwitzt und bei einem Puls um die 160 - doch recht leicht.

Foto: Thomas Rottenberg

Und: Die meisten Leute, die auf Volllast laufen, finden es weder fein noch unterhaltsam, da angequatscht, launig "aufgemuntert" und/oder gar fotografiert zu werden. Das gilt im Übrigen auch für gute Freunde und Bekannte: Keine Minute vor diesem amikalen Schluss-Selfie drohten mir die beiden Damen noch Gewalt an, sollte die Kamera jetzt nicht endlich verschwinden. Mein Fehler. Beim Intervalltraining sind eben nicht nur Tempo und Puls auf einer Hochschaubahnfahrt.

Wozu es überhaupt gut ist? Wegen des "Danachs": Der Körper reagiert auf den Wechsel zwischen Belastung und Pause - und "bedankt" sich relativ schnell mit einer höheren Belastbarkeit. Also, bewusst laienhaft ausgedrückt, mehr Leistung bei gleicher gefühlter Anstrengung. Noch laienhafter gesagt: Das gilt auch für die Stimmung - und zwar unmittelbar danach.

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Außerdem fällt einem das Sich-Belohnen nach so einem Workout noch leichter: 1.500 verbrannte Kilokalorien wollen dem Körper schließlich wieder zugeführt werden. Ein schöner Nebeneffekt der Intensivtrainingsphase: Auch wenn man halbwegs vernünftig futtert, erlaubt und verzeiht der Körper da dann doch recht viel.   

Ganz nebenbei: Ich behaupte, dass der legendäre Schönbrunner "Hasenschau"-Laufsatz des Kollegen aus der Chronikredaktion aus den oben angeführten Gründen vor Ort nie zu mehr als männlichem Imponiergehabte geführt hat. Natürlich wird der Kollege jetzt umgehend das Gegenteil behaupten. Das muss er auch. Ich würde es selbst natürlich auch tun. Das gehört zum Bubenspiel - und ist daher eben "no na ned part of the game". (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 12.2.2014)

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