Bauen ohne Baubewilligung - in dieser Disziplin haben Österreichs Verkehrspolitiker zweifellos Expertise. Ob Semmering- oder Lainzer Tunnel, es kann Bauherren nicht schnell genug gehen. Da darf es nicht kümmern, ob Gesetze und Vorschriften eingehalten werden. Das Motiv ist immer dasselbe: Fakten schaffen, ehe sich die Gegner sammeln und gegen zweifelhafte Großprojekte mobilisieren. Nach diesem Motto wird auch geflissentlich vermieden, für Milliardenprojekte Alternativen zu prüfen.

Nun sind die Mängel bei den vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Semmering-Bescheiden nicht so gravierend, dass sie nicht repariert werden können oder das Projekt Semmeringtunnel in seinen Grundfesten erschüttert oder gar ernsthaft gefährdet wäre. Es ist aber auch nicht so, dass das Verkehrsministerium einfach einen neuen Bescheid ausstellen kann. Immerhin müssen fähige Gutachter (die auch begutachten dürfen) gesucht und ein Verfahren zur Errichtung einer Deponie muss eingeleitet werden.

Die verordnete Zwangspause könnte man nützen, um das umstrittene Projekt verkehrswirtschaftlich auf den Prüfstand zu stellen. Diesen Kriterien dürfte der Semmeringtunnel nicht mehr genügen, sie wurden vor bald 30 Jahren im Lichte des Eisernen Vorhangs fixiert. Seither hängen Verkehrspolitiker wie Kletten daran, obwohl Grenzen und EU-Binnenmarkt offen sind. Da braucht kein Mensch eine baltisch-adriatische Geisterbahn. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 11.2.2014)