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Diese Schatztruhe hätte jedermann gerne: Burgtheater-Schauspieler Gert Voss mit Ulrich Wildgruber als Mammon im "Jedermann"  der Salzburger Festspiele 1998. 

Foto: APA/Neumayr

Wien – Georg Springer, Chef der Bundestheaterholding, schenkte dem Aufsichtsrat des Burgtheaters am Montag erstmals reinen Wein ein. Und dieser war sauer: Für das Geschäftsjahr 2012/2013 ist mit einem Bilanzverlust von 8,3 Millionen Euro zu rechnen. Er setze sich wie folgt zusammen: 5,6 Millionen aufgrund der nicht mehr von den Wirtschaftsprüfern tolerierten Aktivierung von Produktionskosten auf fünf Jahre; 900.000 Euro aufgrund gestiegener Personal- und Betriebskosten; 700.000 Euro aufgrund falsch kalkulierter Gastspielerträge sowie 1,1 Millionen Euro aufgrund "Wertberichtigungen aus nicht nachvollziehbaren Buchungen" .

Doch das ist noch lange nicht alles: Man müsse aufgrund "formaler Versäumnisse"  mit Steuernachzahlungen in der Höhe von bis zu fünf Millionen Euro rechnen. Die Wirtschaftsprüfer hätten bereits eine Offenlegung an die Finanzbehörde übermittelt. Diese Versäumnisse werden Silvia Stantejsky, der ehemaligen kaufmännischen Direktorin, angelastet.

Wie berichtet, soll Stantejsky als Geschäftsführerin (von Herbst 2010 bis Herbst 2013) ein "buchhalterisches Parallelsystem"  bzw. eine "Schattenorganisation"  aufgebaut sowie "dolose Handlungen"  gesetzt haben – so jedenfalls die Ausdrucksweise von Springer. Stantejsky wurde im November 2013 zunächst suspendiert, schließlich fristlos entlassen.

"Gefälschte Belege"

Der Aufsichtsrat wurde nun genauer über den Fall informiert. Die forensische Untersuchung berichtet, so eine Aussendung der Bundestheaterholding, von deutlichen Indizien für "gefälschte Belege und die Vorspiegelung falscher Tatsachen" . Diese würden die bisherigen Verdachtsmomente hinsichtlich der vermuteten Mängel in der kaufmännischen Direktion "vollinhaltlich bestätigen" . Unter anderem sei es in der Kassa des Burgtheaters zu nicht nachvollziehbaren Ein- und Auszahlungen gekommen.

Die Presse berichtete darüber in der Montagsausgabe anhand mehrerer Beispiele. Mit Bareinzahlungen knapp vor Ende der Geschäftsjahre sei die finanzielle Situation des Hauses "verfälscht"  worden. Den Einzahlungen würden wenige Monate später Auszahlungen in ähnlicher oder gleicher Höhe gegenüberstehen. Die Prüfer sollen an der Richtigkeit sowohl der Kassabucheinträge als auch der Belege Zweifel haben. Wie hoch die Schadenssumme in den drei Geschäftsjahren sei, habe bis dato nicht beziffert werden können.

Silvia Stantejsky war für den Standard nicht zu erreichen. Auch Isabell Lichtenstrasser, deren Rechtsanwältin, will zu den konkretisierten Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben.

Und Josef Ostermayer, de facto Kulturminister (SPÖ), versagt sich jeden Kommentar. Er lässt ausrichten, dass er von Springer über die Zwischenergebnisse der Wirtschaftsprüfer informiert worden sei; er möchte aber auf den für Ende Februar angekündigten Endbericht der forensischen Untersuchung warten. Denn viele "Dinge"  seien noch nicht klar – sowohl in wirtschaftlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht.

Laut Springer, der als Holding-Chef auch Aufsichtsratsvorsitzender ist, arbeite die Geschäftsführung "intensiv an der Schadensfeststellung" . In einem nächsten Schritt werde Silvia Stantejsky die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Für den Fall, dass sich die Vorwürfe nicht entkräften lassen sollten, habe der Aufsichtsrat die Geschäftsführung aufgefordert, alle notwendigen rechtlichen Schritte "bis hin zur Einleitung strafrechtlicher Maßnahmen"  zu unternehmen. Holdingchef Springer versicherte dem Aufsichtsrat, darunter Springer, "dass bereits alle Maßnahmen gesetzt"  worden seien, um in Zukunft die missbräuchliche Umgehung des internen Kontrollsystems zu verhindern.

Springer verteidigte Direktor Matthias Hartmann: Das Burgtheater arbeite "künstlerisch äußerst erfolgreich"  und sei "in keiner Weise in seiner Existenz gefährdet" . Die von Springer und Hartmann vertretene Theorie einer einzigen Täterin wird von Insidern allerdings bezweifelt. Einerseits ob der Höhe der hin- und herverschobenen Summen – die Presse spricht von 176.502 Euro allein im August 2012. Und andererseits, weil man ein Gegenüber braucht, um etwas an der Kassa einzahlen zu können. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 11.2.2014)