Der verurteilte Polizist wurde gefilmt, während er versuchte, dem Tierschützer die Kamera zu entwenden.

Screenshot: Youtube

Graz - "Wir haben schon einmal Zeiten gehabt, da war jeder verdächtig, nur weil er eine Hakennase hatte", bemerkt Richter Erik Nauta am Montag in Graz in seiner Urteilsbegründung den Schuldspruch gegen einen 49-jährigen Polizisten, der einen Tierschützer geschlagen hat. "Nur weil wer mit einer Kamera im Wald steht, ist er nicht verdächtig, damit müssen Sie umgehen lernen", setzte Nauta seine Belehrung fort.

Er verurteilte den Polizeibeamten wegen vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter Nötigung, Verleumdung und Amtsmissbrauch zu 2400 Euro Geldstrafe und vier Monaten bedingter Haft. Der Polizist nahm das Urteil an, es ist jedoch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft noch keine Erklärung abgab.

Illegale Treibjagd

Begonnen hatte am 4. Dezember 2011 alles damit, dass David Richter, der stellvertretende Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) - bekannt durch den "Tierschützerprozess" in Wiener Neustadt - die Polizei alarmierte, weil er am Stadtrand von Graz eine illegale Treibjagd anzeigen wollte. Die Beamten waren auch bald da, allerdings nahmen sie keine Anzeige auf, sondern forderten Richter auf, sich auszuweisen und das Filmen mit seiner Videokamera einzustellen.

Als dieser beides verweigerte und nach der Dienstnummer des Beamten verlangte, wurde dieser handgreiflich: Wie ein gerichtsmedizinisches Gutachten und Krankenberichte aus dem LKH bestätigten und der Polizist schließlich auch teilweise eingestand - schlug er dem Tierschützer mit der Faust auf den Hinterkopf. Der Mann kam zu Boden, und der Polizist blieb 20 Minuten "in Reiterstellung", wie Staatsanwältin Verena Neuberger ausführte, auf dem Aktivisten sitzen, um ihn zu fixieren und festzunehmen. Beides war rechtswidrig.

Warum er das getan hatte, wollte Nauta wissen. Sein Oberst habe ihm gesagt, bis Verstärkung komme, "soll alles so bleiben, wie es ist", versuchte der Polizist, der als unbescholten gilt, sich zuverteidigen. Für den Richter war das klar eine "erniedrigende Behandlung".

Dass er auch versucht hatte, David Richter die Kamera zu entreißen, sei klar eine versuchte Nötigung, ihn am Weiterfilmen zu hindern und die Beweise für die rechtswidrige Amtshandlung sicherzustellen, stellt Nauta später fest: "Irgendwann haben Sie gemerkt, dass Sie verloren haben."

"Befugnisse eines Bürgers"

Ein Kollege des Beamten, der auch mit Verhaftung gedroht hatte, wurde nicht angeklagt, was Richters Anwalt Bernd Haberditzl kritisierte.

Eine "gewisse Provokation" seitens des Tierschützers, wie sie selbst die Staatsanwältin einräumte, sahen Nauta und seine beisitzenden Richter weder durch das Filmen noch durch die Frage nach der Dienstnummer gegeben. Eine solche Frage "gehört zu den Befugnissen eines Bürgers, das steht im Gesetz", betont Nauta und zum Angeklagten: "Wir gehen nicht davon aus, dass Richter Sie provoziert hat. Sie haben ein unglückliches Temperament, neigen nicht unbedingt zur Sachlichkeit, sondern zu einer leichten Erregbarkeit."

Anwalt Haberditzl beklagte, dass "Tierschützer in Österreich Menschen zweiter Klasse" seien.

Dem hielt der Grazer Richter am Ende des letzten Prozesstages, dem ein zweijähriges Verfahren voranging, sein Urteil entgegen: "Von Anfang an war klar, dass hier Welten aufeinanderprallen: Jägerschaft, Tierschützer und Polizisten." Doch das Gericht habe sich aufgrund der Fakten, die auf dem Tisch lagen, eine Meinung gebildet "ohne mit jemandem zu sympathisieren". Dabei habe man vor allem das Video des Tierschützes "sehr genau analysiert" - und das ließ keine Zweifel offen.

"Geschnitten wurde da nichts"

Von einem von der Polizei behaupteten Angriff seitens David Richter etwa sei "da nichts zu sehen", sagt Nauta. "Und geschnitten wurde da nichts", wischte der Richter etwaige Vorbehalte gegen das Filmmaterial vom Tisch, "schneiden können Sie einen Film von Rosamunde Pilcher, wenn Sie zwischendurch das Meer zeigen, aber hier wurde durchgefilmt".

Der Polizist, der erst seit Dezember 2013 vom Dienst suspendiert ist, nahm das Urteil nach Rücksprache mit seinem Anwalt schweigend hin. Nauta schloss mit den Worten: "Ich hoffe, Sie haben was gelernt." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 11.2.2014)