In Fragen der Moral ist der gemeine Immobilienspekulant gelegentlich mit einem Tunnelblick gesegnet, der ihn die eigene Niedertracht nicht erkennen lässt. Umso mehr darf er sich schadenfreudiger Anteilnahme sicher sein, wenn sein Gewinnmaximierungskonzept (teuer zahlende Wohnungseigentümer ersetzen eingesessene Altmieter) einmal nicht so aufgeht, wie es dem Maximaldurchsatz seines Gierschlundes zusagen würde.

Es geht um ein Zinshaus in Wien-Leopoldstadt, wo ein Spekulant brav biedere Altmieter zur Aufgabe ihrer Wohnungen "überreden" wollte, indem er den Rest des Hauses einer Gruppe Punks zur Verfügung stellte.

Was als Schuss vor den Bug der Mieter gedacht war, ging hier auf herzerfrischende Weise nach hinten los. Die Altmieter und die ob ihrer angeblichen Asozialität engagierten Neo-Nutzer entdeckten bei aller Verschiedenheit schnell, wo der wahre Feind sitzt.

Seitdem kommen die älteren Herrschaften und der "wilde Haufen" Punks so gut miteinander aus, dass sogar Weihnachten gemeinsam begangen wurde. Der Spekulant hingegen hat, aus eigenem Antrieb, nun richtig renitente Hausparteien am Hals. Und das Schönste - seine Perfidie hat sogar Gutes bewirkt: Erst durch sie sind Menschen sich nähergekommen, die zuvor durch festgefügtes Misstrauen voneinander getrennt waren. (corti, DER STANDARD, 10.2.2014)