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Gewinner: Dem rot-grünen Wien von Bürgermeister Michael Häupl verspricht mehr Steuerautonomie höhere Einnahmen, als der derzeitige Finanzausgleich ausspuckt.

Foto:APA/HELMUT FOHRINGER

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Verlierer: Dem schwarzen Niederösterreich droht jener Vorschlag zu schaden, für den der eigene Landeshauptmann Erwin Pröll wirbt.

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Wien - "Schwachsinn": So lautet das Urteil, das Gerhard Lehner als Erstes einfällt. Dem Wirtschaftsforscher geht jene Idee "auf die Nerven" , die alle fünf Landeshauptleute der ÖVP im Standard propagiert hatten: Die Bundesländer sollten künftig selbst mehr Steuern einheben, statt finanziell auf den Bund angewiesen zu sein.

Lehner steht weder der Thematik noch jenen, die sie nun auf die Agenda gebracht haben, fern: Der Linzer Ökonom hat sich Jahrzehnte mit dem komplexen Finanzgeflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschäftigt und wird mit Vorliebe von ÖVP-Politikern konsultiert. Aktuell war das freilich nicht der Fall: Sonst hätte Lehner eine ganze Liste an Einwänden entgegengehalten.

Mehr Aufwand prophezeit

"Alle beklagen, dass es im kleinen Österreich neun Pflegegesetze oder Bauordnungen gibt", wundert sich der Experte, "und dann will man plötzlich neun Steuergebiete"? Unternehmerfreundlich sei das nicht: Überregionale Handelsketten mit zentraler Verrechnung etwa müssten sich im Extremfall auf neun Lohnsteuersysteme einstellen. Selbst wenn die Autonomie auf weniger gewichtige Abgaben beschränkt wird, drohe föderales Wirrwarr: So wird die motorbezogene Versicherungssteuer derzeit zentral von den Versicherungen abgeführt.

Mehr Aufwand prophezeit Lehner auch der öffentlichen Hand. "Die Länder müssten eine eigene Steuerverwaltung aufbauen", gibt er zu bedenken, "eine Verwaltungsreform zum Bürokratieabbau kann man dann vergessen."

Ob die Schweiz nicht ein leuchtendes Vorbild abgebe, wie gut Steuerautonomie funktionieren könne? "Aber wo", sagt Lehner und verweist auf den dort "besonders komplizierten" Finanzausgleich, um die durch den Steuerwettbewerb verschärfte Schieflage zwischen schwachen und starken Regionen einzuebnen.

Mühen der Eigenbrötlerei

Die Mühen dieser Eigenbrötlerei hätten sich exemplarisch während der gemeinsamen Fußball-WM gezeigt, erzählt der Wirtschaftsforscher: Während Besteuerungsfragen in Österreich im Nu gelöst gewesen seien, hätten sich die Schweizer Kantone ausgiebige Streitereien geliefert.

Wer profitieren würde, wenn Österreich dem eidgenössischen Beispiel folgt? Sicher nicht jenes Land, dessen Chef zuletzt besonders engagiert danach rief, sagt Lehner: "Erwin Prölls Niederösterreich würde massiv verlieren."

Hintergrund: Den Löwenanteil ihrer Budgets bestreiten die Länder aus jenen "Ertragsanteilen", die ihnen der Bund aus seinen Steuereinnahmen überweist. Verteilt wird dieses Geld gemäß der Bevölkerungszahl und anderen Kriterien, das tatsächliche Steueraufkommen in den einzelnen Ländern spielt hingegen kaum eine Rolle. Bekommt Letzteres nun größeres Gewicht, gäbe es gegenüber dem aktuellen Verteilungsschlüssel zwei Gewinner: Wien und das mit einigen Großbetrieben gesegnete Salzburg. Vorarlberg und Tirol stiegen pari aus, sagt Lehner, "alle anderen Länder wären Verlierer. Ihre Regierungen müssten die Steuern erhöhen, um dasselbe Aufkommen zu erreichen."

Gerade die großen ÖVP-Länder Oberösterreich und Niederösterreich hätten demnach Grund, sich Lehners Conclusio anzuschließen: "Ich verstehe den Sinn und Zweck der Diskussion nicht - und hoffe, dass sie einschläft." (Gerald John, DER STANDARD, 10.2.2014)