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Andreas Müller ist der Nachfolger von Helmut Schulte als Sportdirektor. "Ich wollte diesen Job unbedingt haben. Rapid ist eine reizvolle Aufgabe."

 

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Standard: Worum geht es im Fußball?

Müller: Wir haben sehr emotionale, leidenschaftliche, traditionsbewusste Fans. Die wollen eine Mannschaft sehen, die alles gibt, mit der sie sich identifizieren können. Jeder Fußballer sollte sich am Ende seiner Laufbahn fragen: Was habe ich gewonnen? Es geht darum, Erfolg zu haben. Pokale sind nicht das einzige Zeichen. Wichtig ist, alles versucht zu haben. Kann man den Menschen zusätzlich Freude vermitteln, ist es umso schöner. Wobei Freude mit Siegen zusammenhängt.

Standard: Muss man daran erinnern, dass Fußball immer noch ein Spiel ist? Oder ist diese Restromantik in dem harten Geschäft blöd?

Müller: Es ist ein Spiel. Es heißt ja Fußball spielen. Zu jedem Spiel gehört Spaß. Um den zu haben, muss man sehr viel tun. Hart arbeiten, die Birne muss auf das Spiel fokussiert sein.

Standard: Hat der Fußball trotz teilweiser Abgehobenheit eine soziale Verantwortung? Die Zuneigung des Fans zu seinem Verein ist eine der wenigen Konstanten im Leben. Diese Beziehung hält trotz Krisen praktisch ewig.

Müller: Das ist ein wichtiger Punkt. Ich wollte das immer vorleben. Es ist ein Privileg, Fußballer, Trainer oder Sportdirektor zu sein. Fußballer haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Als ich ein kleiner Dachs war und bei meinen Eltern am Mittagstisch saß, wollte meine Mutter immer, dass ich eine Ausbildung mache. Pilot hätte ihr getaugt. Mit zehn habe ich gesagt, ich will Fußballer werden. Das kam nicht so gut an, ich wurde es trotzdem. Wenn mich einer fragt, was ich liebe, antworte ich: mein Leben. Und mein Leben ist Fußball. Das ist meine Leidenschaft, die will ich an andere Menschen weitergeben. Das heißt nicht, dass ich keine Fehler mache.

Standard: Sie sind jetzt seit rund fünf Wochen bei Rapid. Zu kurz, um Fehler zu machen. Wie war die Eingewöhnungsphase?

Müller: Mein erster Eindruck ist, dass Rapid eine tolle Familie ist. Man hat wirtschaftlich wenig Möglichkeiten, aber die Leute hauen sich voll rein. Es ist ein absolutes Miteinander. Nehmen wir das Trainerteam um Chef Zoran Barisic her. Ich bin noch nie so gerne in eine Trainerkabine gegangen wie hier. Die Mannschaft ist sehr jung und sehr willig. Natürlich unterliegt sie Schwankungen. Es ist Quatsch, alles ändern zu wollen.

Standard: Der Vertrag mit Leistungsträger Christopher Trimmel konnte nicht verlängert werden, er verlässt den Klub im Sommer. Sind Sie früh an Grenzen gestoßen? Empfinden Sie das als Niederlage?

Müller: Nein. Es ist die Gelegenheit für einen anderen, nachzurutschen. Ich wollte verlängern, aber man kann keinen zwingen zu bleiben. Das passiert nicht nur Rapid. Jeder Verlust ist eine Chance.

Standard: Sie haben sicher das 3:0 von Red Bull Salzburg gegen Bayern München gesehen. Muss man da als Rapid-Funktionär nicht erschüttert sein? Es geht maximal um den zweiten Platz, vielleicht sogar langfristig.

Müller: In dieser Saison ist das sicher der Fall. Ein alter Spruch von mir ist: Form schlägt Klasse. Ich habe keinen Frust, ich sage nicht, dass Salzburg nie zu biegen ist. Wenn man schnell ist und richtige Schritte setzt, kann man Paroli bieten. Das ist nicht nur eine Frage der finanziellen Mittel.

Standard: Aber schon auch. Sagt ein Verein, er will Spieler nicht verkaufen, sondern kaufen, ist das eieine andere Ausgangposition. Rapid kann Reisende nicht halten.

Müller: Die Aufgabe ist, eine Mannschaft zu formen. Vielleicht kommen wir bald in die Situation, sie doch zusammenzuhalten. Man muss jedem Einzelnen die Rapid-Mentalität einimpfen, wir wollen gemeinsam kämpfen und erfolgreich sein. Das ist die Forderung meinerseits. Es ist legitim, Rapid zu verlassen. Es geht aber um den richtigen Zeitpunkt. Manche Manager handeln voreilig. Wir wollen, dass die Spieler uns vertrauen und auf uns hören.

Standard: Rapid will oder muss ein Ausbildungsverein sein. Ist das angesichts der Tradition nicht zu wenig? Man steuert Motorenteile bei, die Autos bauen dann andere.

Müller: Bildet ein Verein nicht aus, wäre das fahrlässig. Das gilt auch für Bayern München, Real Madrid oder Barcelona.

Standard: Barcelona behält die Besten aber selbst.

Müller: Wir müssen jetzt die Basis schaffen, dass wir sie künftig binden können. Trimmel sollte sofort verpflichtet werden, ich habe abgelehnt. Es war ein Zeichen, dass Rapid kein Selbstbedienungsladen ist.

Standard: Hängt diese Basis auch vom angedachten Stadionbau ab?

Müller: Ja. Wollen wir wettbewerbsfähig sein und auch europäisch wahrgenommen werden, muss ein neues Stadion kommen.

Standard: Dürfen Sie im Sommer ein bisserl shoppen gehen? Man kann ja auch Spieler begrüßen statt verabschieden.

Müller: Wir werden intensiv daran arbeiten, dass wie im Sommer den Kader optimieren können. Mit der Wintertransferperiode kann ich nicht viel anfangen, die ist unlogisch, es gibt keine Eingewöhnungszeit. Man soll lieber dem vorhandenen Personal vertrauen.

Standard: Muss das Scouting verbessert werden? Salzburg hat Kevin Kampl gefunden, der war relativ günstig zu haben. Wo sind die Kampls bei Rapid?

Müller: Wir müssen das Scouting optimieren. Die Schnellen schlagen die Langsamen. Man muss jedenfalls schneller sein als jene, die das Geld haben.

Standard: Wie machen Sie Rapid einem Talent schmackhaft? Wie überzeugen Sie einen, das finanziell bessere Angebot abzulehnen?

Müller: Entscheidend ist, dass hier Fußball gelebt wird, Leidenschaft pur herrscht. Trainer Barisic hat ein Händchen. Man kann sich hier toll entwickeln. Das müsste als Argumentation reichen.

Standard: Sie beginnen am Sonntag gleich mit dem Derby. Spektakulärer geht es nicht, oder?

Müller: Ich freue mich sehr darauf. Ich hatte Schalke gegen Dortmund, ich weiß, was da abgeht. Das Hanappi-Stadion ist ausverkauft. Nach der Partie ist mir klar, wo der Hammer hängt.

Standard: In Wien wird angeblich geraunzt, gemütlich geraunzt.

Müller: Mit der Mentalität kriege ich kein Problem. Und der Fußball ist nirgendwo gemütlich. Auch Rapid ist keine Komfortzone. (Christian Hackl, DER STANDARD, 08./09.02.2014)