Stabilität und Krisensicherheit sind bei Berufseinsteigern deutlich wichtiger geworden.

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Die Wirtschaftskrise wirft lange Schatten. Berufserwartungen haben sich grundlegend geändert, auch und gerade bei den Bestausgebildeten, die objektiv bisher von der Krise viel weniger betroffen waren als andere Gruppen.

Erstens: Universitätsabgänger werden bei ihren Karrieren deutlich risikoaverser. Während in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren für mehr als die Hälfte der WU-Absolventen irgendeine Form von traditioneller oder neuer Selbstständigkeit attraktiv war, sind die 2010er-Absolventen karrieremäßig wieder so konservativ wie ihre Großeltern. Klassische Unternehmenskarrieren sind wieder gefragt, und zwar besonders bei Frauen. Der scharfe Wind der Wirtschaftskrise treibt gerade sie zurück an "den warmen Herd" der Company World.

Zweitens: Die Präferenzen für Branchen und Unternehmen haben sich deutlich verändert. Bei den WU-Absolventen halten sich zwar Red Bull und die OMV konsequent im Spitzenfeld der beliebtesten Arbeitgeber, Beratungsunternehmen und Banken sind hier nach wie vor stark unter den Top Ten der "Students First Choice" Studie (Career Centers Austria) vertreten. Betrachtet man aber das Gesamtranking, so findet man 2013 einige Überraschungen: der Standard am zweiten Platz, EZA Fair Trade am fünften Platz, und drei weitere NPOs in den Top Ten der attraktivsten privaten Arbeitgeber sowie ein Revival öffentlicher Unternehmen. Bei ihrem Ranking ist den Befragten die Stabilität und Krisensicherheit deutlich wichtiger geworden. 2013 ist sie fast so wichtig wie Innovativität, internationale Orientierung und die gebotenen Aufstiegschancen und deutlich wichtiger als Verdienstmöglichkeiten und Work-Life-Balance.

Drittens: Karriereerwartungen polarisieren sich. Der Mehrheit derjenigen, denen die Sicherheit traditioneller Unternehmenskarrieren wichtig sind, stehen zwei kleinere Gruppen mit spezifischem Erwartungsprofil gegenüber. Zum einen sind das jene High Potentials mit internationalen Studienabschlüssen, die zwar in die Company World streben, dort aber alles andere als Stabilität und Loyalität suchen. Sie optimieren egoistisch das Tauschverhältnis in Bezug auf Einkommen und Aufstieg und verlassen den Arbeitgeber, sobald sie ein besseres Angebot haben. Dem gegenüber findet sich eine kleine, feine Gruppe, die die Welt verbessern will. Sie streben nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit als Social Entrepreneurs und verfügen auch über Ideen und Mittel, um ihren Traum zumindest für ein paar Jahre zu wagen.

Im Hintergrund dieser Entwicklungen liegen Trends, die sich aus dem European Social Survey analysieren lassen: Das Vertrauen in Unternehmen, Politik und öffentliche Institutionen sinkt seit 15 Jahren kontinuierlich. Die Glaube daran, dass es für den Erfolg wichtig sei, kreativ zu sein und eigene Ideen zu haben, stieg zwar bis 2006 an, sinkt aber seitdem kontinuierlich. Hingegen steigt die Überzeugung, dass es auf flexible Anpassung ankommt. Grosso modo hat die Wirtschaftskrise in Europa bei vielen Menschen das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit gedämpft, und das spiegelt sich auch in den bescheideneren Wünschen an Job und Karriere. (Michael Meyer, DER STANDARD, 8./9.2.2014)