Der gute Stalin ist der Titel eines großartigen Buches des bekannten russischen Schriftstellers Viktor Jerofejew, dessen Vater Stalins Dolmetsch war. Thema ist, wie man im Zentrum einer massenmörderischen Despotie (über)lebt und an einem Menschheitsmonster irgendwie doch "gute Seiten" findet.

Nun haben wir den Bürgermeister der Olympia-Stadt Sotschi, Anatoli Pachomow, einen klassischen autoritären Typ, der findet, Putin sei "ein guter Stalin", weil er alles so straff durchzieht. Unausgesprochen: ohne den "großen Terror" des Originals, nur mit ein bisschen Einschüchterung.

In der alten Sowjetunion und im neuen Russland konnte/kann man nach relativ kurzem Kontakt jede Menge Stalin-Verehrer finden. In seinem Geburtsland Georgien wurde einem stolz "Stalins Lieblingswein" kredenzt. Aktuell wird gestritten, ob die 2010 abgebaute sieben Meter hohe Bronzestatue des großen Sohnes in seiner Geburtsstadt Gori wiedererrichtet werden soll. Dahinter steht die - auch im Westen verbreitete - Meinung, die Menschen in rückständigen Ländern bräuchten eben eine Diktatur oder ein autoritäres Regime, um große Leistungen zu erbringen.

Das Gegenmodell wäre, dass nur freies Denken und freie Diskussion die notwendige (technologische) Fortschrittlichkeit erzeugt. In Putins Russland wird diese spannende Frage der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts noch durch den Rohstoffreichtum überdeckt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 7.2.2014)