Mit Hilfe eines Computermodells konnten die Forscher zeigen, wie Haut mit Wasser umgeht: die Struktur der Keratin-Fasern der äußeren Hautzellen im zusammengezogenen (links) und ausgedehnten (rechts) Zustand. Der Raum zwischen den Fasern ist mit Wasser gefüllt.

Foto: Evans/Roth

Ist die Haut längere Zeit Wasser - beispielsweise in der Badewanne - ausgesetzt, nimmt sie Feuchtigkeit auf und die Zellen der äußeren Hautschicht schwellen an. In trockener Umgebung gibt die Haut die zusätzlich aufgenommene Feuchtigkeit ohne bleibende Schäden wieder ab und ist schon kurze Zeit später wieder glatt. Was die Haut dazu befähigt, haben nun Wissenschafter anhand eines physikalischen Modells entdeckt: Hinter dem Phänomen stecke ein komplexes Wechselspiel von Prozessen und Kräften in der äußeren Hautschicht, schreiben die Experten von den Universitäten Tübingen und Erlangen-Nürnberg in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters".

Durch das Umstellen von glatt auf schrumpelig sorge die Haut dafür, dass der menschliche Körper sowohl im Wasser als auch an Land optimale Bedingungen habe, sagte der Tübinger Physiker Roland Roth. Hinter diesem Prozess stehe vor allem das Protein Keratin, das in der äußeren Hautschicht komplexe Fasern bilde.

Keratin ist der Schlüssel

Die Wissenschafter berechneten in ihrem Computermodell die Prozesse, die bei einer Wasseraufnahme in den einzelnen Komponenten der Haut ablaufen, und stellten ein interessantes Wechselspiel in den äußeren Hautzellen fest. Die äußere Hautschicht enthält Keratin-Fasern in einer geometrisch geordneten Struktur. Keratin ist hydrophil, fühlt sich also in wässriger Umgebung sehr wohl, was erklärt, warum Hautzellen Wasser aufnehmen. Schwellen die Zellen dabei an, werden die Keratin-Fasern gedehnt ‒ dies kostet wiederum elastische Energie, wie bei einer Spiralfeder, die man in die Länge zieht.

Das Wechselspiel dieser Kräfte, die in entgegengesetzter Richtung wirken, bringt die Ausdehnung der Zellen zum Stillstand und sorgt dafür, dass die Haut nur eine begrenzte Menge Wasser aufnimmt. Die Ausdehnung stoppt, bevor sich die Keratin-Fasern berühren und permanent vernetzen können, was eine dauerhafte Änderung der mechanischen Eigenschaften der Zellen bewirken würde. Das führt dazu, dass unsere Haut das aufgenommene Wasser wieder abgibt und sich ohne bleibende Schäden glättet.

"Wir dürfen Wasser nicht zu schnell verlieren, wenn es in unserer Umgebung zu trocken ist", sagte Roth. Das schaffe die Haut, wenn sie glatt ist. "Wir müssen aber auch Wasser aufnehmen können, wenn wir uns in einer feuchten Umgebung aufhalten." Das schaffe die Haut, wenn sie runzelig werde. Die Keratin-Fasern stellten sicher, dass dieser Wechsel immer wieder möglich sei.

Umstrittener Nutzen der Schrumpelhaut

Der Nutzen der Schrumpelhaut ist wissenschaftlich jedoch umstritten. Zuletzt haben Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin getestet, ob man mit Schrumpelfingern die nasse Seife besser packen kann. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass schrumpelige Haut dabei keinen Vorteil bietet (derStandard.at berichtete). Zuvor waren britische Forscher genau zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Die Erkenntnisse über die Bedeutung von Keratin, die nun mit Hilfe eines Computermodells gewonnen wurden, könnten eines Tages dabei helfen, künstliche Materialien nach dem Vorbild der Haut zu schaffen, hoffen die Forscher aus Tübingen und Erlangen. (red, derStandard.at, 15.2.2014)