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Kaum ist in der ÖVP eine Obmanndebatte ausgestanden, da zettelt der Nächste eine an - diesmal ist es Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl (, der Spindeleggers Autorität anzweifelt.

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Wien - Kaum hat sich die ÖVP mehr Selbstdisziplin gegenüber ihrem Obmann verordnet, schon ist es wieder passiert: Am Dienstagabend rüttelte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im ORF-Report an der Autorität von Michael Spindelegger - diesmal in dessen Eigenschaft als Finanzminister, der völlig inadäquate Steuererhöhungen plane. "Michael Spindelegger", sagte Leitl, "ist ein Gefangener im Finanzministerium, wo ihm seine Beamten immer wieder vorrechnen, welche schauerlichen Auswirkungen irgendwelche Maßnahmen haben, im Ziel, diese Maßnahmen zu verändern. Und er ist zu jung im Finanzministerium, dass er dieses Spiel durchschaut."

Hintergrund des Ausbruchs: Bis Mittwoch, wenn im Parlament der Finanzausschuss zusammentritt, verhandelt die Koalition unter anderem mit den Sozialpartnern über Entschärfungen des geplanten "Abgabenänderungsgesetzes". Konkret will Leitl etwa die Reform der GmbH light verhindern, die zur Förderung von Firmengründungen vorgesehen war, jedoch auch von bestehenden Unternehmen genutzt wurde, um Steuern zu sparen - und das will die Regierung künftig verhindern.

Die ÖVP ist nun bemüht, weitere Angriffe gegen ihren Parteichef abzuwenden. Klubchef Reinhold Lopatka zum Standard: "Wir sind mitten in den Verhandlungen, ich halte deswegen jeden Kommentar dazu für verfrüht." Die Regierung müsse die Budgetziele erreichen, dazu stünden im Fall Hypo Entscheide an. "Bei zwei derartigen Großbaustellen ist es klar, dass das nicht geräuschlos über die Bühne gehen kann." Landeshauptmann Josef Pühringer wiederum rückte via Ö1-Mittagsjournal zur Verteidigung Spindeleggers aus: "Wunder wirken kann kein Finanzminister, dieser Job ist momentan extrem schwer." Dazu schloss der Oberösterreicher eine "Intrige" gegen Spindelegger aus. Spindelegger selbst kalmierte via Krone: "Ich kenne Leitl lange, und man darf da nicht dünnhäutig sein."

Nimmt Koalitionsmitverhand-ler Leitl Spindelegger übel, dass er selbst nicht zu Ministerwürden gekommen ist oder vergrätzt der ÖVP-Chef tatsächlich viele Unternehmer? Im Raum steht schon, dass einige schwarze Wirtschaftsbündler dem Steuerpaket im Parlament die Zustimmung verweigern könnten. Klubchef Lopatka: "Wir werden alles tun, um zu einem Ergebnis zu kommen, das von allen mitgetragen wird."

Tiefe Unzufriedenheit

Auch Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, übt Kritik an den Einschnitten für Unternehmer: "Anstatt zu sparen, erfinden wir ständig neue Steuern oder erhöhen sie." Die Einschränkung der Gruppenbesteuerung etwa, also der Absetzbarkeit von Konzernverlusten der Auslandstöchter von den Inlandsgewinnen, hält Kapsch für ebenso schlecht für den Standort wie das Ansinnen, Löhne über 500.000 Euro (vulgo Managergehälter) nicht mehr als Betriebsausgaben anzurechnen. Kapsch: "Die ÖVP setzt sich einfach nicht durch. Ich erwarte mir, dass sich die ÖVP stärker für die Wirtschaft einsetzt - aber auch die SPÖ, weil davon ja auch die Arbeitsplätze betroffen sind."

Für die Konkurrenz ist der Zwist in der ÖVP ein gefundenes Fressen. Die Neos wollen Leitl zum Gespräch mit den Wirtschaftssprechern aller Parlamentsparteien laden, die Grünen träumen von Kooperation, mit der sie Leitl "stärken" wollen.

Für Politologe Fritz Plasser werden auch durch solche Aktionen die Übertrittsbarrieren für bislang ÖVP-affine Wähler "von Woche zu Woche niedriger". Taktisch sei der Zeitpunkt für Kritik am Chef wenige Monate vor den Europawahlen am 25. Mai "absolut unklug". Für Plasser ist die Aktion nur "ein weiteres Zeichen dafür, wie tief die Unzufriedenheit in Kernbereichen der ÖVP ist". Spindelegger sei es "nicht gelungen", den Wirtschaftsflügel "zu besänftigen, ruhigzustellen oder sich proaktiv an die Spitze eines Prozesses zu stellen, der Erneuerungspotenzial bietet". Plasser hat dafür zwei Erklärungen: Entweder sei das Bemühen Spindeleggers, die Kritik einzufangen, unterblieben, oder: "Es ist over. Das heißt, der Zeitpunkt, um gegenzusteuern, ist vorbei." (Karin Riss, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 6.2.2014)