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Bargeldspürhündin Voxi beim Dienst in der Nähe der deutsch-schweizerischen Grenze. Wem die Finanzpolizei auf die Schliche kommt, kann sich auch mit einer Selbstanzeige nicht mehr retten.

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Wien - Die Reue hört gar nicht mehr auf. Zwei Tage nachdem die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer jahrelange Steuerhinterziehung zugegeben hat, spendete sie eine Million Euro für ihre neue Stiftung zur Chancengleichheit für Mädchen und Frauen.

Dennoch geht die Debatte um Steuerbetrug in Deutschland munter weiter. Vor allem die SPD nutzt den Fall Schwarzer, um von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) härtere Strafen für Steuerhinterziehung zu fordern. Ins Visier gerät Paragraf 371 der Abgabenordnung, der Steuerhinterziehern die strafbefreiende Selbstanzeige gestattet. Zwar wurde das Regelwerk 2011 verschärft, die Selbstanzeige wurde teurer und komplizierter. Dennoch gilt: Wer so wie Schwarzer alles richtig macht und eine Nachzahlung leistet, noch bevor die Behörden ermitteln, für den ist der Fall erledigt. Wer einen Fehler begeht - so wie Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß -, der bekommt ein Verfahren aufgebrummt.

In der SPD wird nun der Ruf laut, diese Regelung abzuschaffen. "Die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuersünder gehört vom Tisch, weil sie die Steuerhinterziehung gegenüber anderen Straftaten privilegiert", sagt SPD-Finanzexperte Joachim Poß. Jemand, der ein Geschäft ausraubt, könne ja später auch nicht das Diebesgut zurückgeben und dadurch einer Strafe entgehen. Pikanterweise hat die SPD gerade selbst einen Fall in ihren Reihen. Der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz hat jahrelang Steuern in der Schweiz hinterzogen. Er hat dies erst bereinigt, als schon gegen ihn ermittelt wurde. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wusste seit 2012 davon, zurückgetreten ist Schmitz erst jetzt.

Die CDU steht ohnehin auf der Bremse. Sie denkt an das Geld, das der Staat bekommt, wenn sich jemand selbst anzeigt. Und sie zeigt gerade, dass nicht nur die Schweiz für Steuerbetrug interessant ist. Der Stern deckte auf, dass CDU-Schatzmeister Helmut Linssen, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen war, jahrelang Geld in einer Briefkastenfirma in Panama verborgen hat.

Die Debatte über Selbstanzeigen ist inzwischen nach Österreich geschwappt. Denn hier kommen reumütige Steuersünder günstiger als in Deutschland davon. In Deutschland muss bei einer Selbstanzeige die Steuerschuld nachgezahlt werden. Dazu kommt eine jährliche Verzinsung in Höhe von sechs Prozent. Bei einem hinterzogenen Betrag über 50.000 Euro wird zudem eine Pönale von fünf Prozent fällig.

Keine Strafzahlung

Eine solche Strafzahlung gibt es in Österreich nicht. Auch die Zinsen sind niedriger: Für die strafbefreiende Steuernachzahlung wird ein Säumniszuschlag in Höhe von "zwei Prozent über dem Basiszinssatz" fällig. Dieser Basissatz wird von der Notenbank ermittelt und ist aktuell negativ (minus 0,12 Prozent). Wer sich also morgen anzeigt, zahlt 1,88 Prozent Säumniszuschlag pro Jahr - ein Drittel des Betrages in Deutschland. In Deutschland wie Österreich verjährt die Steuerschuld nach zehn Jahren. Aber: Der Aufschlag bei der Zinszahlung ist in Österreich nur für vier Jahre zu leisten.

"Die Pönalen müssten viel höher sein", sagt der grüne Finanzsprecher Werner Kogler dem Standard, "Steuerhinterzieher kommen zu günstig weg." Er fordert daher bei Selbstanzeigen eine Strafzahlung in der Höhe von mindestens 50 Prozent des hinterzogenen Betrags. Für eine Verschärfung plädiert auch der Steuerrechtler Werner Doralt: "Ein höherer Zinssatz wäre absolut gerechtfertigt."

In der SPÖ reagiert man zurückhaltend: Über verschärfte Regeln nachzudenken sei "legitim", heißt es aus dem Büro von Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl, dies stehe aber nicht im Regierungsprogramm. "Es gibt bereits gute und strenge Regeln", lautet der Kommentar aus dem Büro von Finanzminister Michael Spindelegger.

Der Linzer Anwalt Roman Leitner warnt vor hohen Hürden bei Selbstanzeigen. Während man über die Höhe der Nachzahlungen diskutieren könne, hält er die Regeln in Deutschland für zu streng: Wird dort nur ein Teil der hinterzogenen Abgaben offengelegt, verfällt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige komplett. In Österreich gibt es so eine Alles-oder-nichts-Regel nicht. "Das sind goldene Brücken, die man für Steuersünder baut", sagt Leitner, "aber würde es diese nicht geben, käme kaum wer in die Legalität zurück."

Ganz abschaffen ließen sich Selbstanzeigen in Österreich übrigens nicht: Das Steuerrecht verpflichtet Bürger zur Offenlegung ihrer Abgabenschulden. Im Strafrecht gilt, dass sich niemand selbst belasten muss. Mit der Selbstanzeige wird beiden Prinzipien Genüge getan, entschied der Verfassungsgerichtshof 1997. (Birgit Baumann, András Szigetvari, DER STANDARD, 5.2.2014)