Anfang März findet mit "Laufen hilft" im Wiener Prater "Österreichs Laufopening" statt. Natürlich beginnt die Laufsaison in Wirklichkeit viel früher. Nicht nur für Läufer - auch für all jene, die solche Events auf die Beine stellen

Eigentlich, sagt Marion Lutz, sei sie keine Läuferin. Oder, genauer: Bis vor kurzem sei sie keine gewesen. Aber das, erklärt die 27-Jährige, habe sie nie als Hindernis gesehen. "Eher im Gegenteil: Ich hatte eine ganz andere Perspektive. Und konnte mich so vielleicht sogar besser in die Denkweise meiner nichtlaufenden Ansprechpartner hineindenken." Und das, ist die Mitarbeiterin einer IT-Firma stolz, habe ganz gut funktioniert: Lutz ist eine von neun Ehrenamtlichen, die den Charity-Run "Laufen hilft" organisieren. 

Foto: Thomas Rottenberg

Heuer - am 2. März - findet der Lauf, der sich selbstbewusst "Österreichs Laufopening" nennt, zum siebenten Mal statt. Und auch wenn Lutz weiß, dass es schon lange davor zahllose Laufevents (karitativ wie kommerziell) gibt, ist sie mit dem Titel zufrieden: Man wende sich schließlich an Jedermann- und Jederfrauläufer. Und für die ist Laufen bei Minusgraden, Glatteisgefahr oder anderen Wetterunbillen eher zach: Auch Marion Lutz gibt zu, dass man sie derzeit "eher nicht" auf der Hauptallee träfe. Das mit dem "Reinfühlen" in die Welt derer, die es anzusprechen gilt, hat Hand und Fuß.

Foto: www.laufenhilft.at

Egal. Denn das (aus Komfortzonensportlersicht) "Hardcorelaufen" ist nicht das Thema der Niederösterreicherin. Ihr Job ist es, "ihren" Lauf auch zu promoten: Es gehe nicht an, ließ sie mich wissen, dass in einem Wiener Laufblog dieser Wiener Lauf nicht vorkäme. Schließlich laufe man "für den guten Zweck", sei Fixpunkt im Wiener Laufkalender - und habe sich aus einem Schulprojekt zu einem der 20. größten Laufevents Österreichs gemausert.

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Abgesehen davon, dass meine halbe Lauf-Gang längst für irgendeinen der Bewerbe (5k, 10k oder Halbmarathon; Nordicwalking- und Kinderläufe lassen wir - noch - aus) angemeldet ist, hakte das Mail an mehreren Stellen ein. Zum einen, weil ich bei "für den guten Zweck" Pickel auf den Augen bekomme: Warum so viele Charityevents das Gutsei-Ziel schamhaft hinter dieser Floskel verstecken, hab ich nie kapiert. Den Begünstigten - in diesem Fall (traditionell) das St. Anna Kinderspital und (erstmals) das Neuner-Haus - selbstbewusst zu nennen, ehrt schließlich auch den Veranstalter.

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Zur Lutz'schen Ehrenrettung: Die Floskel findet sich nirgendwo in der Eventkommunikation. Und Journalisten (oder potenziellen Sponsoren) darf man beim Erstkontakt wirklich nicht mit zu vielen Details die Tür einschlagen. Dann fühlen sie sich nämlich klein und unwissend. Dabei wollen sie doch gestreichelt werden.

Zum anderen finde ich die Geschichte von "Laufen hilft" spannend: Initiiert, erzählte mir die junge Frau aus Gallbrunn, wurde der Lauf als Schulprojekt. Martin Mair, ein Lehrer der HTL-Rennweg, ließ seine Schüler im ehemaligen Kurpark Oberlaa einen Charitylauf mit 322 Teilnehmerinnen und Teilnehmern organisieren. Wie so oft bei derartigen Initiativen blieb es nicht beim einmaligen Engagement. Beim dritten Mal wagten Mair und sein Team den Sprung in den Prater. Und 2013 verwies man, beim sechsten Event, auf über 1.724 angemeldete Läuferinnen und Läufer - und einen Spendenerlös von mehr als 7.000 Euro. "Insgesamt", sagt Marion Lutz, "beträgt der gespendete Reinerlös über 31.000 Euro."

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Natürlich: Solche Summen wirken - verglichen mit den Erlösen von Nachbar in Not, Life Ball oder ähnlichen Großereignissen - überschaubar. Aber bevor Sie jetzt aufs hohe Ross steigen: Wie viel Geld haben Sie schon für karitative Projekte aufgetrieben? Meine Erfahrung besagt: Wer selbst Zeit, Arbeitskraft, Ressourcen und Herz in Hilfsprojekte investiert, weiß, was alles drin und dahinter steckt. Menschen, die hin und wieder Spenden oder Daueraufträge laufen haben, haben in der Regel auch Respekt für alle, die selbst aktiv sind. Häme und "ja, aber" kommt meistens von denen, die selbst nix tun - und deshalb im Engagement Anderer irgendetwas suchen, was sie schlecht machen können.

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Bei "Laufen hilft" etwa wird bei der Anmeldung um - nach Distanzen gestaffelte - Spenden gebeten. Die Etikette würde es gebieten, die dort angeführten Summen als Mindestbeitrag zu verstehen. Aber "es gibt immer wieder Leute, die sich tatsächlich beschweren, dass die Teilnahme nicht kostenlos ist". Das seien zwar "nur ganz ganz wenige", aber allein, dass die Veranstalter sich rechtfertigen müssen, ist seltsam: Schließlich ist das Laufen anderswo - und sei es neben der Strecke - ja nicht verboten.

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Marion Lutz kann derlei ohnehin nicht nachvollziehen: "Ehrenamtliche Arbeit ist am Land noch etwas Selbstverständliches. Zumindest habe ich das immer so erlebt." Darum habe sie selbst keine Sekunde nachgedacht, ob sie selbst Laufen müsse, wenn sie bei einem karitativen Laufevent aus- oder mithelfe. Abgesehen davon habe sie eine Menge gelernt. Über Organisation und Organisationen. Ämter und Strukturen. Und den Umgang mit Menschen. Etwa "dass man nicht als Bittsteller auftritt, sondern Sponsoren selbstbewusst sagt, was man ihnen bietet." Auch, dass man auf Absagen wie "unser Budget für heuer ist ausgeschöpft" statt "schade" besser "fein, dann reden wir gleich über das nächste Jahr" sagt. So banal das in der Marketing- und Kommunikationsbranche klingen mag: In der Schule lernt man derlei nicht.

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Etwa einen Arbeitstag pro Woche, überschlägt Lutz, investiere jeder aus dem Team in der heißen Phase. Am Lauftag selbst seien gut 150 Helferinnen und Helfer aktiv. Unbezahlt. "Heuer haben wir sogar eine Blasmusikkapelle aus Niederösterreich an der Strecke."

Freilich, räumt Marion Lutz ein, habe sie auch abseits des Charityevents langjährige Lauf-Backup-Erfahrung: In ihrem Freundeskreis gäbe es eine Menge Läuferinnen und Läufer, die in ganz Österreich, aber auch im Ausland oft und gerne unterwegs seien. Ihr Freund etwa werde heuer den Paris-Marathon laufen - und sie selbst sei "natürlich" dabei: "Wir sind rund 20 Leute. Läuferinnen, Läufer - und Begleitung. Und: Nein, es laufen nicht nur Männer."

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Tross-Sein ist Schwerarbeit: "Wir sind die Sherpas und die Groupies. Und manchmal haben wir das Gefühl, dass wir mehr tun als die Läufer. Rechtzeitig an der richtigen Stelle zu stehen, um anzufeuern und zu versorgen, ist anstrengend: Mit Rucksäcken, Flaschen und Zeug am Fahrrad, zu Fuß oder mit Öffis unter Druck durch eine fremde Stadt zu düsen, schafft einen total.“

Dass sie letzten Sommer selbst mit dem Laufen begonnen habe, hieße aber nicht, dass Marion Lutz demnächst einen Marathon laufen will: "So weit bin ich noch lange nicht. Ich habe einfach gemerkt, dass ich an meiner Kondition arbeiten muss."

Foto: www.laufenhilft.at

"Die ersten Läufe", sagt die Lauf-Helferin, "waren fürchterlich. Es war mühsam. Ich habe geglaubt, ich sterbe." Aber es werde jedes Mal besser - sie dürfe sich nur nicht die falschen Benchmarks setzen: "Ich komme mittlerweile vom Praterstern bis zum Stadionparkplatz und zurück - und brauche dafür meine Zeit. Natürlich überholen mich viele. Aber das ist mir wurscht: Mein Freund fährt am Rad neben mir her - und feuert mich an. Er ist mein Coach. Und wir freuen uns über jede Minute, die ich schneller werde und jeden Laternenmast, den ich weiter komme."

Ganz nebenbei sind genau diese Selberlauf-Erfahrungen dann auch etwas, was bei der Organisation des Events hilfreich sei: "Ich weiß, wie es Leuten geht, die mit dem Laufen beginnen - und kann ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Es geht. Denn Laufen hilft." (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5.2.2014) 

Link:
Laufenhilft.at  

Foto: www.laufenhilft.at