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Tausende russische Sicherheitsbeamte sollen in Sotschi die Gefahr von Terroranschlägen bannen.

Foto: AP/Thuillier

Der erste Besuch von Patriarch Kyrill in Wolgograd fällt auf den 71. Jahrestag des Siegs der Roten Armee in Stalingrad nach einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Doch die Predigt des Oberhaupts der russisch-orthodoxen Kirche galt nicht den sowjetischen Soldaten, sondern den Opfern der jüngsten Terroranschläge. Ende Dezember 2013 hatten kaukasische Terroristen in der Millionenstadt mit zwei Bomben mehr als 30 Menschen getötet, rund 90 Personen verletzt und vor allem im Ausland eine Debatte über die Sicherheit der Olympischen Spiele in Sotschi entfacht.

Dort will man von Sicherheitsproblemen trotz offener Terrordrohungen nichts wissen. "Als Stadtoberhaupt kann ich mit Gewissheit sagen: Um die Sicherheit mache ich mir keine Sorgen", erklärte Sotschis Bürgermeister Anatoli Pachomow jüngst.

Tatsächlich empfängt die Olympiastadt ihre Gäste nicht nur mit schneebedeckten Bergkuppen, Sonnenschein, Palmen und Temperaturen leicht über dem Gefrierpunkt, sondern auch mit jeder Menge Polizisten. Rund 60.000 Beamte wurden für die Spiele abgestellt, Überwachungskameras und neueste Abhörtechnik angeschafft, um Mobiltelefone und E-Mail-Verkehr zu kontrollieren. Nach inoffiziellen Angaben des Innenministeriums belaufen sich die Sicherheitsausgaben auf 57,8 Milliarden Rubel; selbst nach der drastischen Abwertung der russischen Landeswährung sind das immer noch 1,2 Milliarden Euro.

Obama hat keine Bedenken

Dafür gab es Lob aus "berufenem" Mund: "Ich glaube, dass Sotschi ein sicherer Ort ist", sagte der nach der NSA-Spähaffäre in Überwachungsfragen nicht ganz unbeleckte US-Präsident Barack Obama. Er widersprach damit dem eigenen State Department, dass zuvor Sicherheitswarnungen für Sotschi herausgegeben hatte.

Auf die Bequemlichkeit der Gäste sollen sich die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen nicht auswirken. Das versprach jedenfalls Russlands Präsident Putin. Für den Kremlchef ist ein Erfolg der Winterspiele unter Palmen von besonderer Wichtigkeit - wenige Tage vor der Eröffnungsfeier durfte sich Putin im russischen Staatsfernsehen noch einmal als Alleinverantwortlicher des Image-Projekts gerieren: "Für mich ist es besonders angenehm zu sehen, was hier passiert, denn ich habe den Ort selbst ausgesucht. 2001 oder 2002, als ich hier mit einem UAZ (russischer Geländewagen) hierherkam, sind wir diese Plätze abgefahren, an diesem Flüsschen ausgestiegen, und ich habe gesagt: Lasst uns hier beginnen", beschrieb er in einer Sotschi-Reportage die Anfänge der Olympia-Planungen.

Pannen wie in Vancouver, wo die Organisatoren mit ungültigen Tickets oder kaputten Eismaschinen zu kämpfen hatten, dürfen in Sotschi trotz der Eile, mit der die meisten Olympiaobjekte und die Infrastruktur rundherum fertiggestellt wurden, nicht passieren.

Rekorde der Oligarchen

Ansonsten fallen die Korruptionsvorwürfe, die die Spiele begleiten, umso härter auf Putin zurück: Immerhin bedeuten die Kosten von schätzungsweise 40 Milliarden Euro nicht nur olympischen Rekord, sondern liegen auch deutlich über den Planungen. Der Großteil der Investitionen ist staatlich, laut dem Oppositionspolitiker Boris Nemzow gar 96 Prozent. Profitiert haben sollen hingegen vor allem Oligarchen, die dem Kremlchef nahestehen.

Arkadi Rotenburg beispielsweise, der Judo-Partner Putins, räumte Aufträge im Wert von 4,8 Milliarden Euro ab, baute unter anderem das Medienzentrum, ein Kraftwerk und einen Doubleur für die Hauptverkehrsstraße von Sotschi nach Adler. Aber auch Milliardär Gennadi Timtschenko, Eisenbahnchef Wladimir Jakunin und Oleg Deripaska durften sich über Großaufträge freuen.

Viele Zwangsumsiedlungen

Weniger Grund zur Freude hatten dagegen rund 3500 Bewohner der Imeritinski-Bucht, die für den Bau des Olympia-Parks trotz Protesten zwangsumgesiedelt wurden. Die nun trockengelegte Sumpflandschaft der Bucht diente zudem vielen Zugvögeln als Zwischenhalt auf ihrem Flug nach Afrika. Klagen kommen daher auch von Naturschützern: "Das olympische Projekt hat die Zerstörung einzigartiger Naturräume, vor allem im Kaukasus, zugunsten kommerzieller Projekte ermöglicht", klagte Greenpeace-Aktivist Michail Kreindlin.

Es bleibt nur zu hoffen, dass sich Gebirgsflüsse und Meer von der Verschmutzung erholen, die die Bauarbeiten angerichtet haben. Ansonsten dürfte Olympia sein wichtigstes Ziel verfehlen: Sotschi zu einem wirklichen Erholungsort zu machen. (André Ballin, DER STANDARD, 04.02.2014)