Menschen, denen das biologische Korsett zu eng ist, sind zwar in der Modebranche nicht alltäglich, aber auch keineswegs ein Novum. Was so viel heißt wie: Frauen schlüpfen seit geraumer Zeit in die Rolle von Männern und umgekehrt, sodass mitunter unklar bleibt, ob sie oder er Frau oder Mann ist. Das in Bosnien geborene Topmodel Andrej Pejic ist ein Paradebeispiel dafür.

Allerdings beschränkte sich die "modische" Aufhebung der Geschlechtergrenzen bislang auf Einzelfälle. Damit ist nun Schluss, denn das US-Modehaus Barneys lanciert nun eine noch nie dagewesene Werbekampagne, in der 17 transidente Models die Hauptrolle spielen. 

Für die aktuelle Kampagne mit dem Titel "Brothers, Sisters, Sons & Daughters" hat die 1923 gegründete Nobelmarke 17 transidente Models verpflichtet. Hinter der Kamera stand einer der Altmeister der Fashion-Fotografie: Bruce Weber.

Zwei Protagonisten der Fotostrecke sind Katie Hill (links) und Arin Andrews (rechts). Katie wurde als Mann geboren - oder, wie sie selbst sagt, "als Mädchen, das in einem Bubenkörper gefangen war". Arin kam als Mädchen zur Welt und ist heute "der Mann, der ich immer sein wollte".

Beide Models tragen Kreationen der belgischen Designerin Ann Demeulemeester.

Foto: Barneys/Bruce Weber

Maxie Neu (in der Mitte) ist in einer kleinen Stadt in Süddeutschland geboren. Heute lebt die 20-Jährige in Hamburg. Bereits als heranwachsender "Mann" begann sie Frauenkleider zu tragen, seit 18 Monaten lebt sie ausschließlich ihre weibliche Identität. Umarmt wird Maxie Neu, die ein Kleid von Dolce und Gabbana trägt, von Trevon Hayes (links) und Ryley Pogensky (rechts).

Foto: Barneys/Bruce Weber

Ahya Taylor (rechts) war eigenen Angaben zufolge eine "tickende Zeitbombe, die jederzeit zu explodieren drohte". Was gehörig für Zündstoff sorgte: "Ich hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass ich eine Frau bin, aber alle anderen wollten mich immer vom Gegenteil überzeugen." Mittlerweile ist sie auch körperlich dort angekommen, wo sie im Kopf schon längst war.

Seit er sich erinnern kann fühlt sich Dezjorn Gauthier als Junge. In der High-School begann er schließlich seine Identität als Transmann offen zu leben. Zu seiner eigenen Überraschung reagierte sein soziales Umfeld sehr gelassen auf die vollzogene Wandlung: "Ich war nie Opfer von Bullying und wurde in der Klasse auch nicht gehänselt", erzählt der mittlerweile 22-jährige Student.

Beide Models tragen Kleider des Modelabels Balenciaga.

Foto: Barneys/Bruce Weber

Bereits im Kindesalter hasste Ines Rau alles Maskuline an ihrem Körper. Schließlich gelangte sie an einen Punkt, wo es für sie nur mehr zwei Optionen gab: Suizid oder Hormontherapie. Die Medikamente besorgte sie sich heimlich übers Internet, bezahlt wurde mit der Kreditkarte der Mutter.

Nicht zuletzt durch die Unterstützung der Familie - allen voran Cousin Nabil, den sie auch als besten Freund beschreibt - kann die gebürtige Pariserin heute ihr Leben als Frau führen. 

Ines Rau trägt ein Kleid des Modelabels Maiyet, Nabil schlüpfte in seine eigenen Jeans.

Foto: Barneys/Bruce Weber

Barneys ist aber nicht das einzige Modehaus, das mit dem Thema "Transidentität" Aufmerksamkeit generieren will. Bereits im Herbst 2013 schrieb das US-Label "American Apparel" ein offenes Casting aus, das sich dezidiert an Transgender-Models richtete. Das Ergebnis ist bislang noch ausständig.

Foto: American Apparel

Bild nicht mehr verfügbar.

Schon einmal warb "American Apparel" mit einem Trans-Model. Isis King, Teilnehmerin der elften Staffel von "Americas Next Top Model", posierte für die "Pride Campaign" gegen Homophobie.

Foto: Reuters/ANDREW KELLY

Bild nicht mehr verfügbar.

Auf den internationalen Laufstegen werden aber nicht erst seit kurzem die tradierten Vorstellungen von Mann und Frau auf den Kopf gestellt: Als etwa zum großen Finale von Jean Paul Gaultier bei der Pariser Fashion Week im Winter 2011 das Brautkleid präsentiert wurde, war das mehr als nur der übliche extravagante Abschluss einer Schau - denn erstmals wurde das modische Highlight der Damenmode von einem Mann - genauer gesagt von Top-Model Andrej Pejic - getragen.

Foto: EPA/ALBERT OLIVE

Bild nicht mehr verfügbar.

2010 sorgte Givenchy-Designer Riccardo Tisci für Aufsehen als er Lea T., alias Leo, für die Präsentation seiner Herbst-Winter-Kampagne buchte. Im Bild ist das Model deutlich luftiger gekleidet - schließlich handelt es sich um die Präsentation der Sommermode in Rio de Janeiro 2012.

Foto: AP/Felipe Dana

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch im Mainstreamkino poppt das Thema "Transidentität" in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen auf. Im Jahr 2000 erhielt Hilary Swank einen Oscar als beste Hauptdarstellerin für die Verkörperung der transidenten Brandon Teena in "Boys Don't Cry".

Foto: Reuters/Bill Matlock/Fox Searchlight

Bild nicht mehr verfügbar.

Zumindest eine Oscar-Nominierung brachte Felicity Huffman die Darstellung einer Transfrau im Film "Transamerica" aus dem Jahr 2005.

Foto: REUTERS/Rafael Winer/Belladonna Productions

Bild nicht mehr verfügbar.

Aktuelle Leinwandpräsenz erfährt das Thema "Transidentität" im US-Film "Dallas Buyers Club". Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Nebenakteur Jared Leto dürfen sich über eine Oscar-Nominierung freuen. 

Die Geschichte des Films dreht sich um den Elektriker und Rodeo-Reiter Ron Woodroof (Matthew McConaughey), der Mitte der 1980er-Jahre an Aids erkrankte.

Sein Leben vor der Diagnose: intensiv, exzessiv, promiskuitiv und homophob - was so viel heißt wie Alkohol, Koks, Frauen und eine gehörige Portion Schwulenhass. Ähnlich denken, fühlen und leben auch seine reaktionären texanischen Cowboy-Freunde, für die der an Aids verstorbene Schauspieler Rock Hudson immer wieder für einen schlechten Scherz gut ist.

Nun soll Ron Woodroof selbst die "Schwulenkrankheit" und laut Diagnose nur mehr 30 Tage zu leben haben. Seine Freunde wenden sich rasch ab, sein körperlicher Zustand verschlechtert sich rapide. Als das einzig legale, von seinen Ärzten empfohlene Medikament AZT ihn noch kränker macht, sucht er über der Grenze nach Alternativen - und kehrt mit einem Kofferraum voller in den USA illegalen Präparaten aus Mexiko zurück.

Im transsexuellen, ebenfalls HIV-positiven Rayon (Jared Leto) findet er einen ungewöhnlichen Geschäftspartner. Gemeinsam gründen sie den "Dallas Buyers Club", durch den auch andere HIV-Infizierte unbegrenzten Zugang zu Medikamenten bekommen sollen. Als die Organisation zu florieren beginnt, geraten sie ins Visier der Food and Drug Administration (FDA). Kinostart ist am Freitag, 7. Februar 2014. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 5.2.2014)

Zum Thema:

Diesel wirbt mit Model im Rollstuhl

Foto: AP/Anne Marie Fox