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Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman ist 46-jährig gestorben.

Foto: Victoria Will/Invision/AP

Für seine Titelrolle in "Capote" wurde Hoffman mit dem Oscar ausgezeichnet.

Unbestritten war Philip Seymour Hoffman einer der bedeutendsten US-Schauspieler seiner Generation, auch wenn er in seiner über zwanzigjährigen Kinokarriere nur eine Hand voll Hauptrollen gespielt hat. Im Zweifelsfall reichten ihm wenige Leinwandminuten, um im Gedächtnis zu bleiben. Unvergessen etwa, wie er in Paul Thomas Andersons "Boogie Nights" (1997) den Tontechniker einer Pornoproduktionsfirma spielt, der sich unsterblich in den männlichen Shootingstar der Firma verliebt. Auf einem Parkplatz versucht er einen unbeholfenen Annäherungsversuch, der nur scheitern kann. Eine kleine Nebenhandlung, aber wie Hoffman in wenigen Momenten die offensichtlich gespielte Souveränität seiner Figur kippen lässt in verzweifelte Ehrlichkeit, ist große Schauspielkunst und einer der rührendsten Momente des Films.

Kein klassischer "leading man"

Mit seinem sommersprossig-bleichem Teint, seinem fleischigen Gesicht und dem Schmerbauch passte Hoffman nie in das Schema des klassischen "leading man" Hollywoods, aber auch im US-Indiefilm wurde er zunächst zumeist in Rollen des Außenseiters, Losers oder Perversen besetzt. Fast ausdruckslos spielte er in Todd Solondz Skandalfilm "Happiness" (1998) einen Durchschnittsbürger, der seinem Psychiater Gewaltfantasien gegen Frauen beichtet und zwanghaft onaniert, während er seine Nachbarin mit obszönen Anrufen terrorisiert. Irgendwo lauerte meist solch ein marianengrabentiefer Abgrund hinter der unscheinbaren Fassade von Hoffmans Figuren.

Wie ein besonders tragischer Fall von Leben-imitiert-Kunst wirken daher die ersten Meldungen, dass der 46-jährige Schauspieler in seinem New Yorker Apartment an einer Überdosis Heroin gestorben sein soll. Er hinterlässt seine langjährige Partnerin, die Kostümbildnerin Mimi O'Donnell, und drei kleine Kinder.

Neben seiner Arbeit am Theater als Schauspieler und Regisseur stand Hoffman seit den mittleren neunziger Jahren für fast alle namhaften US-Regisseure vor der Kamera, die zwischen unabhängigem Kino und Renommierproduktionen der großen Studios arbeiten. Eine besonders enge Arbeitsbeziehung verband ihn mit Paul Thomas Anderson, der ihn in fünf seiner sechs Filme besetzte. Er drehte außerdem unter anderem mit den Coen-Brüdern, Spike Lee, Charlie Kaufman, Mike Nichols, Sidney Lumet und George Clooney. Seinen größten Triumph feierte er allerdings 2005 mit einem Film des bis dahin weitgehend unbekannten Regisseurs Bennett Miller. 

Oscar für "Capote"

Die Titelrolle im Biopic "Capote" brachte Hoffman neben dem Oscar für den besten Hauptdarsteller mehr als ein Dutzend weitere renommierte Auszeichnungen ein. Er wurde dafür belohnt, dass er Truman Capote nicht als Identifikationsfigur konsumierbarer machte, ihn nicht näher an den gesellschaftlichen Mainstream heranführte. Was zunächst als unerträglicher Manierismus des Schauspielers erscheint, entpuppt sich beim Vergleich mit Dokumentaraufnahmen des Schriftstellers als schonungslos genaue Wiedergabe seiner Macken und Ticks. Hier zeigt sich Hoffman erneut als Meister der Darstellung von Figuren, die selber offensichtlich in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen.

Subtiler zeigt er solch ein doppeltes Spiel auch in seiner 2012 für den Oscar nominierten Nebenrolle in Paul Thomas Andersons "The Master". Den frei an Scientology-Gründer L. Ron Hubbard angelehnten Sektenführer Lancaster Dodd spielt er als eine fast an Orson Welles erinnernden schillernde Mischung aus Scharlatan, Bonvivant und Patriarch. Die Zwiegespräche mit Hauptdarsteller Joaquin Phoenix – den Hoffman 2005 im Oscar-Rennen schlug – gehören zu den elektrisierendsten Schauspielmomenten des US-Kinos der letzten Jahrzehnte – auch weil Anderson im eigentlich längst ausgestorbenen 65mm-Analogformat filmen ließ. Statt in erster Linie monumentale Landschaftsaufnahmen zu drehen, zeigt er seine Darsteller in unübertroffen plastischen Bildern, die in die Filmgeschichte eingehen werden. Eine schönere Hommage hätte sich ein Schauspieler nicht wünschen können. (Sven von Reden, derStandard.at, 3.2.2014)