Wiktor Janukowitsch gilt als exzellenter Kartenspieler. Er habe das Pokern im Gefängnis gelernt, wo er in jungen Jahren wegen Gewaltdelikten eingesessen ist, er kenne alle Tricks. Das erzählt ein EU-Verhandler, der dem ukrainischen Präsidenten im Ringen um einen Assoziationsvertrag gegenübersaß: Janukowitsch bluffe seine Gegner, ohne mit der Wimper zu zucken. Er sei kaum durchschaubar, immer nur auf eigenen Vorteil bedacht. Prinzipien seien ihm egal, Macht alles.

Daran fühlt man sich bei seiner jüngsten Volte erinnert, im Kampf mit der Opposition einzulenken - und wesentliche Forderungen auch der EU zu erfüllen: Der für die Gewaltakte der Polizei gegen Demonstranten in Kiew verantwortliche Ministerpräsident musste abtreten, die Regierung wurde umgebildet. Das Parlament beschloss die Rücknahme jener Gesetze, die die Grundrechte verletzen.

Alles schien gut zu laufen, als die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Kiew reiste, um für weiteren Dialog zu werben - bis Janukowitsch ein Ass aus dem Ärmel zog und auf "unbestimmte Zeit" erkrankte. Ohne seine Unterschrift gibt es aber keine Gesetzesänderungen. Ein billiger Schmäh. Die EU wäre gut beraten, den Druck zu erhöhen, Janukowitsch und seine Clique dort zu treffen, wo es am meisten wehtut: Sanktionen vorbereiten, mit dem Einfrieren von Oligarchenvermögen drohen, mit Einreisesperren. Nach Olympia in Sotschi wird es frostiger. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 31.1.2014)