Wien – "Er ist ein Zuhälter der freundlichen Art", versucht Verteidiger Helge Doczekal im Schlussplädoyer Stimmung für seinen Mandanten Yusein E. zu machen. "Auch der Menschenhandel ist im unteren Bereich anzusiedeln", bittet er den Schöffensenat unter Vorsitz von Ulrich Nachtlberger um ein mildes Urteil für den Unbescholtenen. Der angeklagt ist, obwohl sein Opfer bei ihrer Einvernahme beteuerte, sie sei völlig freiwillig aus Bulgarien nach Wien gekommen, hier auf den Straßenstrich gegangen und habe E. nie Geld abliefern müssen.

Ein übliches Problem für die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen: Die Frauen entlasten ihre Zuhälter – meist aus Angst. In diesem Fall liegt die Sache anders: E. ist Teil eines Netzwerkes aus der selben Kleinstadt, dem insgesamt 80 Personen angehören sollen, dessen Telefone von der Polizei abgehört worden sind.

2200 Euro für die Frau

Diese Protokolle sprechen eine andere Sprache: Der 39-Jährige debattiert über den Verkaufspreis der Frau, will zunächst 4000 Euro, lässt sich schließlich auf 2200 herunterhandeln. Einen Streit mit einem Gesprächspartner gibt es, weil die Frau schwanger ist, was nicht gut für das "Geschäft" ist. "Sie soll anschaffen gehen, die Hure!", echauffiert man sich. Und E. kündigt an, in seine Heimat zu fahren und sich ein "Topal-Mädchen" zu besorgen, der Ausdruck für eine Körperbehinderte.

Der Angeklagte bleibt dabei. Die Frau sei freiwillig nach Wien gekommen und habe ihm etwa die Hälfte ihrer Einnahmen für die Haushaltsführung und Mietbeitrag überlassen. Den Rest habe sie ihrer Familie überwiesen. Außerdem arbeite sie weiter als Prostituierte, sekundiert Verteidiger Doczekal, der auch darauf hinweist, dass keinerlei Gewalt im Spiel gewesen sei.

"Gibt immer noch Sklaverei"

In seiner Urteilsbegründung zerpflückt Nachtlberger die Verteidigungslinie des Angeklagten. "Kein Mensch kann mir erzählen, dass jemand freiwillig im Jänner bei minus zehn Grad im Prater steht, während Sie daheim in der Wohnung sitzen und auf Geld warten." Die Telefonprotokolle würden auch klar belegen, dass die Frau gehandelt worden sei. "In Österreich wurde die Sklaverei im Jahr 1811 abgeschafft - und heute gibt es sie immer noch", stellt der Vorsitzende erbost fest.

Das nicht rechtskräftige Urteil: Drei Jahre unbedingte Haft. Der Strafrahmen beträgt zwischen ein und zehn Jahren, mildernd wird die Unbescholtenheit gerechnet, und dass E. nur eine untergeordnete Rolle in der Organisation gespielt hat. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 31.1.2014)