Bild nicht mehr verfügbar.

Zwölf Monate Wohlverhalten, und Ex-Libro-Chef André Rettberg hat auch die bedingte Freiheitsstrafe aus seinen Büchern.

Foto: APA/Roland Schlager

Wien - "Unentschlossen", "nicht mutig", "typisch für den OGH" und "ein Kompromiss, der uns rechtspolitisch nicht weiterbringt": Die Verteidiger in der Causa Libro hielten mit ihrer Enttäuschung über den Spruch des Obersten Gerichtshofs am Donnerstagnachmittag, die Untreue-Urteile aus dem Jahr 2011 betreffend, nicht hinterm Berg.

Unzufrieden waren sie trotzdem nicht. Denn Ex-Libro-Chef André Rettberg und Exfinanzvorstand Johann Knöbl bleiben Haftstrafen erspart. Die OGH-Richter haben ihre vom Schöffensenat im Landesgericht Wiener Neustadt verhängten unbedingten Freiheitsstrafen zur Gänze ausgesetzt. Des weiteren wurden die bedingten Strafen reduziert: bei Rettberg auf ein Jahr und bei Knöbl auf 18 Monate.

Der früheren Libro-Führung kamen die "extrem lang zurückliegende Tatzeit" und ihr "sehr lang währendes Wohlverhalten" zugute, wie es der Vorsitzende des fünfköpfigen Senats am OGH, Hans Valentin Schroll, formulierte. Auch die extrem lange Verfahrensdauer - der Konkurs der Buchhandelskette liegt fast zwölf Jahre zurück, das Hauptverfahren im Landesgericht Wiener Neustadt fand erst 2011 statt - sei ebenfalls "in Rechnung zu stellen". Deshalb habe man von der Strafe zwei Jahre abgezogen.

Lange Gesichter hingegen beim Dritt- und Viertangeklagten, Ex-Libro-Aufsichtsratspräsident Kurt Stiassny und Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann (ehemals Deloitte). Ihre Berufungen wurden abgewiesen und die Verfahren ans Erstgericht zurückverwiesen - weil der Schöffensenat unter Richterin Birgit Borns in Beweisverfahren und Ersturteil den Vorsatz nicht zweifelsfrei festgestellt habe. "Das ist ein krasser Fehler", sagte Schroll.

Zum Hintergrund: Untreue begeht ein Geschäftsmann dann, wenn er wissentlich seine ihm eingeräumten Befugnisse missbraucht und andere, zum Beispiel Gläubiger, schädigt.

Diesbezüglich gelang den Höchstrichtern nach viereinhalbstündiger Beratungszeit eine große Überraschung. Denn anders als die Generalprokuratur, die vor einem Jahr Freisprüche in der Causa Libro empfohlen hatte, fassten die Höchstrichter den Untreuebegriff deutlich weiter. Es handele sich bei den inkriminierten 440 Millionen Schilling (32 Mio. Euro) Sonderdividende der damaligen Librodisk HandelsAG an ihre Mutter UD-AG eben nicht um "ein Taschenspiel, bei dem Vermögen von der rechten in die linke Tasche verschoben wurde".

Im Gegenteil: Durch die Gewinnausschüttung sei der später mit UD-AG zur Libro AG verschmolzenen Librodisk Vermögen entzogen worden, das später fehlte. Im Gegensatz zu einem Alleininhaber und -Geschäftsführer einer Einmannfirma, der seine Gesellschaft straflos ausräumen darf, sei ein Vorstand einer Aktiengesellschaft dem Wohl der Gesellschaft, der Aktionäre und der Mitarbeiter verantwortlich. "Hinter der Librodisk AG und ihrer Mutter standen ja unterschiedliche natürliche und juristische Personen", so der OGH in der Urteilsbegründung.

Hinzu komme, dass selbst Alleingesellschafter dem Vorstand ihrer Aktiengesellschaft keine Weisung erteilen können. Die Weisungsfreiheit gehe sogar so weit, dass der Libro-Vorstand zum Wohl der Gesellschaft gegen den Hauptversammlungsbeschluss zur Ausschüttung der "Sonderdividende" klagen hätte müssen, anstatt sie auszuschütten.

"Bitte warten" heißt es für Libro-Masseverwalter Günther Viehböck. Er muss die vom Erstgericht zugesprochenen fünf Millionen Euro auf dem Zivilrechtsweg einklagen. (ung, DER STANDARD, 31.1.2014)