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Kevin Pearce hoch über dem schweizerischen Saas-Fee, als sein Leben noch unbeschwert war.

Foto: AP/ Keystone, Jean-Christophe Bott

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Wenige Wochen vor seinem fatalen Sturz Ende 2009 posierte er noch im Rahmen eines Medien-Termins für Olympia-Teilnehmer in Chicago.

Foto: REUTERS/John Gress

Er träumte von der Goldmedaille, er wollte niemand Geringeren schlagen als Snowboardlegende Shaun White, den Olympiasieger von Turin 2006 in der Halfpipe. Doch dann geschah das, woran kein Sportler je einen Gedanken verschwenden möchte, ein verhängnisvoller Sturz.

Kevin Pearce, ein Superstar der internationalen Snowboardszene, schlug 49 Tage vor den Spielen 2010 in Vancouver beim Training in Park City mit dem Kopf auf, erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, lag sechs Tage im Koma und drei Wochen um sein Leben ringend auf der Intensivstation des Krankenhauses von Salt Lake City.

White wurde in Vancouver zum zweiten Mal Olympiasieger und wird auch bald in Sotschi wieder zu bewundern sein. Allerdings stürzte auch der 27-jährige Kalifornier bei der US-Qualifikation in Mammoth Mountain so schwer, dass er kurz überlegte aufzugeben. "Das war der heftigste Sturz seit langem", sagte White.

Dokumentarfilm "The Crash Reel"

Seit Anfang Jänner läuft in Deuschland der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm "The Crash Reel", der die Geschichte von Pearce, sein Leben zwischen Faszination und Wahnsinn in all seinen Facetten beleuchtet. Ein Trailer gewährt Einblicke in die schillernde und ebenso grenzwertige Snowboardszene. "Ich bin jetzt 24 und habe mir, keine Ahnung, 23 Knochen gebrochen", berichtet ein Boarder.

"Denke nicht daran zu stürzen", sagt Pearce einleitend in dem Trailer. Ein "Double Cork 1080", ein geschraubter Doppelsalto, war ihm zum Verhängnis geworden. White hatte diesen Sprung auf einer privaten, von einem Sponsor finanzierten und nur mit dem Hubschrauber erreichbaren Pipe in den Bergen von Colorado bereits einstudiert und brachte seinen Herausforderer damit unter Zugzwang. "Ich setzte mich selbst zu sehr unter Druck, hatte nicht viel Zeit um den Sprung zu lernen", so Pearce.

Comeback nach hartem Training

Heute ist der im US-Snowboard-Mekka Vermont geborene Pearce, der 2009 im schweizerischen Laax Snowboardgeschichte schrieb, als er in einem denkwürdigen Halfpipefinale White schlug, 26 Jahre alt. In Sotschi wird er als Fackelträger an der Eröffnungszeremonie teilnehmen. Der Weg zurück war allerdings ein äußerst beschwerlicher. Er musste wieder sprechen, sehen und gehen lernen. Hartes Training, bis zu acht Stunden täglich, ermöglichten 2012, zwei Jahre nach seinem Unfall, ein Comeback auf dem Brett, das sein Leben bedeutet. Allerdings abseits der großen Bühne Wettkampfsport, das Risiko wäre zu groß. Zu dieser Zeit stürzte die kanadische Freestyle Ikone Sarah Burke in derselben Halfpipe in Park City, die auch Pearce Ende 2009 zum Verhängnis wurde. Neun Tage später erlag sie ihren  Kopfverletzungen.

Als Sportler bildete Pearce stets die personifizierte Antithese zur Ich-AG White. Seine Freunde nannten sich Frends, ohne "I", "weil unter Freunden für das 'Ich' kein Platz ist", wie Pearce erklärt.

Heute hält Pearce Vorträge. Er gründete die Stiftung "Love your Brain" und hilft damit Opfern von Schädel-Hirn-Verletzungen. Und er fährt so oft, wie er nur kann mit dem Board. Die größten Probleme hat er gemeistert, die Koordination der Augen, Erinnerung und von Medikamenten verursachte Müdigkeit machen ihm jedoch noch zu schaffen. "Mein Gehirn heilt immer noch. Es wird immer heilen, und das ist ziemlich abgefahren." (Thomas Hirner, DER STANDARD, 31.1.2014)