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Der Wiener Songwriter Ernst Molden präsentiert die CD "Ho Rugg".

Foto: Lennart Preiss/dapd

Wien - Ernst Molden muss mit einem Vorurteil leben. Der Wiener wird zwar als Songschreiber speziell auch von seiner Kollegenschaft hochgeschätzt, allerdings oft auf einer distanzierten Ebene. Grundtenor: Super Texte, aber wenn die jemand anderer singen würde, dann wäre es noch besser. Wir merken schon, hier sperrt sich eine kratzig-variationsarme Stimme gegen ihre Vermarktbarkeit.

Selten allerdings hört man, abgesehen von dieser Kritik, über ihn ein weiteres böses Wort in der an Bosheiten zwischen tödlichen Bruderküssen und charmant als Komplimente daherkommenden Vernichtungen nicht gerade unterkomplex ausgestatteten Stadt.

Schließlich hat der 46-Jährige während der letzten zehn Jahre von seinem Habitat Erdberg aus beharrlich und stur an einem gearbeitet: Er ist zu einem Chronisten einer aus der Zeit gefallenenen Provinzmetropole zwischen Gänsehäufel, Prater und Klischee namens "Wien" geworden.

Bei Ernst Molden haben die Telefone noch Kabel und können keine Fotos machen. Die Asia-Noodle-Boutiquen heißen Würschtlpuff. Statt in der Früh in Milchkaffee-Lounges abzuchillen, verlässt der Schlurf von Halbwelt zu dieser Zeit lieber einen Branntweineser. Und Techno-Beats und Autotune-Gequietsche werden von den wirklich coolen Hunden auf einem Akkordeon dorthin gequetscht, wo sie hingehören: zurück in die Zukunft.

Auf dem jetzt erscheinenden neuen Album Ho Rugg (Monkey) hat Ernst Molden nun auch endlich sein Verhältnis mit seinen langjährigen musikalischen Partnern legitimiert. Willi Resetarits (als er selbst), Walther Soyka (Harmonika) und Hannes Wirth (Gitarre) stehen gleichberechtigt auf dem Cover. Alle singen. Das klingt sehr gut, vor allem Molden und Resetarits haben sich in Sachen Blue Notes über die Jahre so sehr aneinandergerieben, dass eine naheleigende Fusion schon länger im Raum stand.

Die Musik fährt nachts von Grinzing ebenso heim, wie sie den im Fond sitzenden Tom Waits dabei manchmal gegen einen Baum steuert. Das macht Blues.

Es geht ums Trinken, ums Raunzen, um das Sich-behaglich-am-Bauch-Kratzen und um das Buckelhinunterrutschen - weil alles, was nicht leiwand, voll oasch ist. Und es geht es um das Dunkel, das in der Wiener Seele wohnt, weil es im Sommer draußen in Grizznduaf oder am Neisiedla See im Sommer viel zu hell ist, um sich vernünftig ärgern zu können. Schleicht's eich. Olle. Wenn Klischees verdichtet werden, heißt die Essenz oft Wahrheit. Der Molden ist in "Wien" angekommen. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 30.1.2014)