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Stiftungen sind ein neuer Ansatz, um privates Geld für Wissenschaft und Forschung zu lukrieren. Bisher scheiterten Bemühungen aber unter anderem an Steuerhürden.

Foto: Caspar Benson/fstop/Corbis

Wenn sich Hannes Androsch der Frage nähert, warum es in Österreich nur sehr wenige gemeinnützige Stiftungen gibt, dann findet er blumige Worte: "Die Reichen haben ein kaltes Herz und eine verschlossene Hand – und die Steuerpolitik gibt ihnen allen Grund dazu." Der Industrielle und Vorsitzende des Forschungsrats spricht aus eigener Erfahrung. Mit der Hannes-Androsch-Stiftung bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sollte 2004 eine Möglichkeit geschaffen werden, Wissenschaft zum Schwerpunkt "Arbeit und Festigung des sozialen Ausgleichs und Friedens" zu fördern. Der mit 100.000 Euro dotierte Hannes-Androsch-Preis wurde 2011 erstmals vergeben – an den Ökonomen Markus Knell. Danach hat die Stiftung ihre Tätigkeit für die österreichische Forschung vorerst eingestellt. Die zweite Ausschreibung für den Preis setzt in der Schublade bereits Staub an. Androschs Grund: Die gemeinnützige Verwendung von Stiftungsgeld bringt steuerliche Nachteile.

Gerhard Kratky, ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftsfonds FWF, versucht nun als Konsulent für den größten Förderer von Grundlagenforschung in Österreich privates Geld zu lukrieren – und hat sich auch mit der Stiftungsproblematik beschäftigt. "Bis jetzt war das nicht sehr erfolgreich", resümmiert Kratky enttäuscht. Die Bemühungen scheiterten bisher allein am Mangel an gemeinnützigen Stiftungen: Nur fünf Prozent hätten hierzulande dieses Ziel, 95 Prozent dagegen seien privatnützig. In Deutschland ist es genau umgekehrt.

Auch Kratky sieht die Steuernachteile. Sogenannte "privatnützige" Stiftungen müssen eine 25-prozentige Zwischensteuer entrichten. Kommt es zu Zuwendungen einer Privatstiftung, fällt Kapitalertragssteuer (Kest) an, die mit der bereits geleisteten Zwischensteuer gegengerechnet wird.

Bei Zuwendungen für Sozialeinrichtungen, Kultur oder Forschungsinstitutionen fällt keine Kest an. Das Gesetz sieht aber vor, dass eine Rückerstattung der Zwischensteuer nur erfolgt, wenn Kest-pflichtige Zuwendungen getätigt werden. Weshalb jede Spende von Stiftungen mit der Zwischensteuer belastet bleibt, wie aus dem Forschungsrat verlautet. Wie Beobachter sagen: "Die Katze beißt sich in den Schwanz." Androsch sagt es deutlicher: "Die Verwendung des Stiftungsgeldes wird bestraft." Nur wenigen Stiftern wie Red-Bull-Chef Dieter Mateschitz, der 70 Millionen über "Wings for Life" an die Paracelsus Medizinische Privatuni Salzburg gibt, dürfte das egal sein.

Die steuerlichen Hürden sind es nicht allein, die gemeinnütziges Stiften schwierig machen. FWF-Konsulent Kratky sieht auch – wie Androsch – die katholische Tradition der österreichischen Gesellschaft als Grund. "Protestanten gehen offener mit Geld um." Der Vergleich zwischen dem protestantischen Deutschland und dem katholischen Österreich würde das belegen.

Die Illusion der Österreicher

Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender des FWF, sieht dieses Argument durch den spanischen Stiftungsverband widerlegt. Dieser sei immerhin der zweitgrößte in Europa nach dem deutschen Verband. "Und Spanien ist doch ein katholisches Land", sagt er zum Standard. Er glaubt eher, dass man in Österreich zu sehr der Illusion nachhängt, "der Staat könne alles richten". In Deutschland gebe es außerdem eine "Willkommenskultur" für gemeinnützige Stifter, die sich natürlich wiederum in Form von steuerlichen Erleichterungen zeigt. Stiftungsgründer können bis zu einer Million Euro bei der Finanz geltend machen.

Auch Georg von Schnurbein vom Centre for Philanthropy Studies der Universität Basel glaubt nicht an glaubensspezifische Hintergründe. Der Stifterboom in der Schweiz habe nichts mit gebrochenen Traditionen in dieser Richtung zu tun.

"Mehr als die Hälfte der Stiftungen in der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren entstanden. Die Säkularisierung unserer Gesellschaft fand schon davor statt", sagt Schnurbein. Der Boom sei durch eine vom Staat gestärkte Zivilgesellschaft entstanden, die in der Schweiz eine lange Tradition habe. Auch die Gründungen der Uni Basel und des FWF-Pendants Schweizer Nationalfonds seien durch Bürger und nicht durch den Staat initiiert worden.

Auch im übrigen Europa spielen Stiftungen bei der Finanzierung von gemeinnützigen Projekten eine große Rolle. Laut dem Österreichischen Fundraisingverband sind es 110.000 Stiftungen, die ein Volumen von 83 bis 150 Mrd. Euro zur Verfügung stellen. Für europäische Stiftungen, die in mehreren Ländern aktiv sind, soll es bald durch die EU-Kommission initiierte Erleichterungen geben. Aber auch in Österreich wurde noch nicht jede Hoffnung auf Änderung der Stiftungsvoraussetzungen fahren gelassen. Im aktuellen Regierungsprogramm wird die Frage der gemeinnützigen Stiftungen zumindest angeschnitten und eine Verbesserung in Aussicht gestellt.

Günther Lutschinger vom Fundraisingverband glaubt, dass das erst der Anfang wäre. Man müsse auch versuchen, die öffentliche Meinung zum Thema zu verbessern. "In Österreich verbindet man Stiftungsgeld mit Geheimniskrämerei." Da brauche es einen deutlich offeneren Zugang. Und mehr Anerkennung für die potenziellen Spender. "Würde Mateschitz in Deutschland 70 Mio. für Forschung spenden, hätte er schon zwei Medaillen erhalten." (Peter Illetschko, DER STANDARD, 29.1.2014)