Benjamin Raich ist ein Vorzeigeprofi. Nicht nur, weil er zwei Olympia-Goldmedaillen und zwei Bronzene gewonnen hat. Nein, er wedelte sich bis jetzt auch skandalfrei um die Stangen. Seine Erfolge machen ihn zu einem würdigen österreichischen Fahnenträger. Der Richtige ist er dennoch nicht.

Das wäre Daniela Iraschko-Stolz gewesen. Die Skispringerin ist lesbisch, erst im Sommer ging sie eine eingetragene Partnerschaft ein. Als Fahnenträgerin zu fungieren, hätte sie gefreut, sagte sie erst am Wochenende. Mit ihr gefreut hätten sich wohl auch jene, die im schwulen- und lesbenfeindlichen Russland diskriminiert werden.

Dass Olympia von einer reinen Medaillenjagd zur Bühne für gesellschaftspolitischen Protest mutiert, das möchte das Österreichische Olympische Comité (ÖOC) nicht. Athleten sollten sich auf die eigene Leistung konzentrieren, so lautet die Sprachregelung innerhalb der Funktionärsriege. Im Nacken sitzt ihnen aber nicht die Gier nach Goldenen, sondern auch die Angst vor der möglichen Courage.

Statt ein Zeichen in einem Land zu setzen, wo Werbung für Homosexualität unter Strafe steht, heißt es: Ja nicht anecken, schon gar nicht mit dem großen Russland. Österreichische Firmen gehörten im Sog des ÖOC zu den Profiteuren von Sotschi. Ein riesiges Areal wurde für 40 Milliarden Euro zu einer olympischen Bühne umfunktioniert, nicht wenige Millionen blieben für heimische Unternehmen.

Unter dem Mantel eines Peter Schröcksnadel ist der Kuschelkurs des ÖOC freilich kein Wunder. Der Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) sorgte bereits für Kritik, als er im STANDARD sagte, dass es ihm lieber sei, wenn für Familien statt für Homosexuelle geworben werde. Die reaktionäre Geisteshaltung eines einzelnen zur Leitlinie für den Auftritt in Sotschi zu machen, ist allerdings noch empörender, als der fehlende Mut bei der Wahl des Fahnenträgers. (Oliver Mark, derStandard.at, 28.1.2014)