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Folksänger Pete Seeger ist 94-jährig in New York gestorben.

Foto: AP/FRANK FRANKLIN

Wien - In einem von ihm oft vorgetragenen Lied sang er "It takes a worried man to sing a worried song". Diese Zeile aus dem traditionellen Worried Man Blues beschrieb im Falle von Pete Seeger nur die halbe Wahrheit. Zwar war der 1919 in New York City geborene Folksänger zeitlebens ein besorgter, jedoch nie ein ängstlicher Charakter. Eine rund acht Jahrzehnte umfassende Karriere als kritischer, nie gebeugter Geist legte eindrucksvoll Zeugnis über das Wirken dieser Jahrhundertpersönlichkeit ab.

Als Spross einer Musikerfamilie stolperte er als Teenager über ein fünfsaitiges Banjo, was eine lebenslange Verbundenheit zur Folge hatte. Mit 20 arbeitete er für den Musikarchäologen und Folkmusik-Archivar Alan Lomax, dessen Arbeit für den politischen Menschen Seeger so wichtig war wie die ersten kleinen Musifestivals, die er besuchte und bei denen Lieder über das Leben der "average people", der kleinen Leute, gesungen wurden: Folkmusik eben.

In den 1940ern arbeitete der mit hellem Tenor gegen das Unrecht ansingende Seeger als Radio-DJ und wurde eine treibende Kraft der damaligen Wiederentdeckung und -belebung amerikanischer Folkmusik. Er war neben Woody Guthrie Mitbegründer der einflussreichen Band The Almanac Singers und später von The Weavers, die mit Gospels, Blues-Songs und Arbeiterliedern Millionen Platten verkauft haben.

Seine politische Haltung als idealistischer Kommunist, der früh von der realen Ausformung des Kommunismus enttäuscht wurde, verursachte in den 1950ern einen Karriereknick. Für das Verweigern seiner Aussage verurteilte ihn das "Komitee für unamerikanische Umtriebe" zu zehn Jahren Gefängnis, eines davon saß der vierfache Vater ab.

Mainstream-Medien in den USA boykottierten Seeger noch fast zwei Jahrzehnte lang. Für die damals aufkeimende Folk- und Protestbewegung der 1960er prädestinierte ihn das umso mehr.

Eine Axt für Dylans Kabel

Seeger war zumindest als Ideengeber an der Gründung des Newport Folk Festival beteiligt, das den Karrieren von Blues-Größen wie Muddy Waters und Howlin' Wolf zur Renaissance verholfen hatte. Er protegierte den jungen Bob Dylan und brachte John Hammond dazu, dessen Debüt zu produzieren.

1964 erschien eines seiner berühmtesten Lieder, Where Have All the Flowers Gone?, das die Hippiebewegung als Hymne vereinnahmte; genauso wie seine Version des Gospels We Shall Overcome, die Joan Baez weltberühmt machte. Als Dylan 1965 beim Newport Folk Festival erstmals elektrische Gitarre spielte, hätte Seeger der Legende nach das Verstärkerkabel am liebsten mit einer Axt gekappt - angeblich aber nur, um den Text besser zu verstehen.

Neben seiner Musik - Seeger veröffentlichte rund hundert Alben - verwendete er seine Popularität für gesellschaftspolitische Anliegen. Er unterstützte die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung (Waist Deep in the Big Muddy), die Bürgerrechtsbewegung, er gründete die Umweltschutzorganisation Clearwater, legte sich in den 1980ern mit Ronald Reagan, in den 1990ern mit George Bush an, als der erste Golfkrieg losbrach.

Sein immenser Einfluss auf die Musik und das Denken und Lebensgefühl von mehreren Generationen lässt sich schwer fassen. Versuche münden oft in Floskeln wie der vom "Gewissen der Nation". Würdevoller erschienen da diverse Tribute-Alben, die ihm zuteil wurden, sowie offizielle Anerkennungen, die ihm seit den 1990ern zuflogen: vom Grammy für sein Lebenswerk abwärts.

Bis zuletzt war der unverbesserliche Optimist aktiv, 2009 zählte er zum Reigen jener Musiker, die bei der Amtseinführung Barack Obamas aufgetreten waren. Damals sang er mit seinem Fan Bruce Springsteen Woody Guthries inoffizielle US-Hymne This Land Is Your Land.

Im Vorjahr starb nach 70 Jahren Ehe Seegers Frau Toshi, am Montag ist der schlanke, großgewachsene Sänger im Schlaf in New York verschieden. Pete Seeger wurde 94 Jahre alt. (Karl Fluch, DER STANDARD, 29.1.2014)