Königin Maria Victoria (Barbara Lennie) in "Stella cadente".

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Der König von Spanien ist müde. Seine Minister haben ihn de facto entmachtet. In seinem Palast lebt er wie ein Gefangener, nur eine Handvoll Bediensteter hält ihn bei Laune. Selbst seine Königin, die ihm schließlich aus Italien folgt, vermag die schwer lastende Atmosphäre nur für kurze Zeit aufzuhellen.

Der König, wunderbar antriebslos verkörpert von Alex Brendemühl, ist der glücklose Amadeus von Savoyen, der 1870 in diese Position gebracht wird - als er sie antritt, ist sein wichtigster Unterstützer gerade verstorben. Nach zwei Jahren ist seine Regentschaft zu Ende. Stella cadente / Falling star heißt der Wettbewerbsbeitrag von Luis Miñarro, der hierfür die Seiten gewechselt hat: Der Katalane fungiert seit gut zehn Jahren als Produzent durchaus eigensinniger Filmemacher wie Sergio Caballero, Lisandro Alonso oder Albert Serra.

Nun legt er mit einer eigenen Arbeit nach, die gut in dieses Portfolio passt. Ein moderner, grundsätzlich reduzierter, aber im Detail schwelgerischer Kostümfilm über den erzwungenen Stillstand, über einen Reformator im Geiste - ohne Handlungsspielraum in einem korrupten Milieu.

Miñarros Film erinnert an ein Stück spanische Geschichte, Bezüge zur Gegenwart sind aber beabsichtigt. Frivolitäten und (pop-) kulturelle Versatzstücke von den Brüdern Grimm über Gustave Courbet bis zu France Gall sind mal mehr, mal weniger offensichtlich platziert und für heitere Verfremdungen gut.

Der Film als Ganzes passt dazu, dass man sich beim 43. Internationalen Filmfestival in Rotterdam bis 2. Februar ungewöhnlich großflächig dem "State of Europe" widmet - und damit ist die Lage ebenso gemeint wie ein fiktiver 29. EU-Mitgliedsstaat für all jene, denen man in den bestehenden 28 keinen Aufenthalt gewähren will. Der Europafokus irritiert zuerst ein wenig - kam man hierher doch auch immer wegen der Präsentation von Filmen aus weniger naheliegenden Regionen (wie sehr sich Rotterdam dafür selbst noch abseits des Festivals engagiert, davon zeugt das Förderprogramm Hubert Bals Fund, dem eine Retrospektive zum 25. Jubiläum gilt). Aber nicht nur ein erster Besuch der Werkschau des Dänen Nils Malmros zeigt, dass es dennoch viel zu entdecken gibt.

Eine der Routen durch Europa, der man hier in den letzten Tagen folgen konnte, hat in Österreich begonnen: Filmemacherin und Kamerafrau Lisa Weber hat in der Sektion "Bright Future" ihr Langfilmdebüt vorgestellt. Ein Home-Movie on the road, Weber und ihr Bruder reisen mit den Großeltern im Auto zum Nordkap - eine pointierte kleine Beziehungsstudie, die auch visuell besticht.

Der (gar nicht so leicht zu übersetzende) Titel des Films lautet Sitzfleisch. Das kann man bei einem Filmfestival immer gut gebrauchen. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 28.1.2014)