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Polizeipräsident Gerhard Pürstl: "Wenn man sich mit Hunden ins Bett legt, dann darf man sich nicht wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht."

Foto: APA/Hochmuth

Der Auftritt des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" am Sonntag hat für Empörung gesorgt. Konfrontiert mit dem Vorwurf überschießender Polizeigewalt bei den Demonstrationen gegen den Akademikerball, hatte Pürstl gesagt: "Wenn man sich mit Hunden ins Bett legt, darf man sich nicht wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht." Zudem ließ der oberste Wiener Polizist mit der Ankündigung aufhorchen, man werde die Daten verletzter Demonstranten bei der Rettung auszuforschen, um festzustellen, ob sie an Straftaten beteiligt waren.

Eine Facebook-Gruppe, die Pürstl zum Rücktritt aufforderte, erzielte innerhalb weniger Stunden mehr als 3000 Likes, Rücktrittsaufforderungen gab es auch vom grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz, von den sozialdemokratischen Studierenden (VSStÖ) und von der Wiener Sozialistischen Jugend. Die Grünen wollen zudem die Innenministerin befragen, wie oft die Polizei in der Vergangenheit Rettungsdienste oder Spitäler um die Herausgabe von Daten ersucht hat.

Rettungsdienste: Keine Daten herausgegeben

Seitens der Wiener Berufsrettung heißt es auf Anfrage von derStandard.at, Daten von Personen, die von der Rettung versorgt wurden, dürften nicht an die Polizei weitergegeben werden. Dies sei nur bei strafgerichtlichen Ermittlungen möglich. Auch beim Wiener Roten Kreuz verweist man auf die Verschwiegenheitspflicht. Sanitäter verpflichteten sich im  Rahmen ihrer Ausbildung, keine personenbezogenen Daten an Dritte weiterzugeben, sagt Sprecher Andi Zenker. Nur im Fall, dass ein Beschluss der Staatsanwaltschaft vorliege, könne die Polizei die Herausgabe der Daten erwirken, so Zenker.

Polizei: Nur bei strafgerichtlichen Ermittlungen

Die Wiener Polizei lieferte auf derStandard.at-Anfrage eine Präzisierung der Aussagen Pürstls nach: Man werde sicher nicht "in Bausch und Bogen" Daten fordern, sondern nur nach einem konkreten Anfangsverdacht und auf Basis der Strafprozessordnung – also nach Einleiten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Pressesprecher Manfred Reinthaler nennt ein Beispiel: So seien etwa in der Wiener Bellariastraße einige Demonstranten "mit Bänken auf Polizisten losgegangen", woraufhin die Beamten Pfefferspray eingesetzt hätten. Sollte auf Fotos oder Video ersichtlich sein, dass sich nach dem Pfefferspray-Einsatz jemand bei der Rettung versorgen ließ, "dann fragen wir dort nach: Wer war das?"

Datenschutzexperte Hans Zeger von der ARGE Daten meint, das Ärztegeheimnis habe jedenfalls "absoluten Vorrang". Er stellt zudem die Frage, "was eigentlich die Verletzung einer Person mit Strafrecht zu tun hat". Zeger befürchtet jedoch einen unsauberen Umgang in der Praxis: "Die Polizei kann natürlich alles fragen, was sie fragen will – und in einer Bananenrepublik wird sie auch Auskunft erhalten."

Vor Gericht kein Datenschutz

Im Falle strafrechtlicher Ermittlungen hätten Rettungskräfte und Ärzte laut Strafprozessordnung jedenfalls kein Zeugnisverweigerungsrecht, sagt der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. Dieses Recht treffe nur bestimmte Fachärzte wie Psychiater, so Fuchs. Erwarte sich die Polizei von der Rettung Hinweise, die zur Aufklärung einer Straftat dienen, so können diese Hinweise eingeholt werden, wenn ein Vorverfahren im Gange ist. Dabei sei auf Verhältnismäßigkeit zu achten – so müssen die Auskünfte etwa zeitlich, örtlich und auf einen bestimmten Personenkreis eingrenzbar sein.

Pürstl bei Burschenschaft nur "hineingeschnuppert"

Das Gerücht, Pürstl sei selbst Mitglied einer Burschenschaft in Wien, sorgte ebenfalls für Aufregung in den sozialen Medien. Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek hatte auf Twitter behauptet, dass Pürstl der Pennalen Burschenschaft Ghibellinia zu Wien zuzuordnen sei.

Die Ghibellinia gibt es allerdings erst seit 1988. "Da war ich doch schon längst bei der Polizei", sagt darauf Pürstl im Gespräch mit dem STANDARD, außerdem kenne er die besagte Verbindung gar nicht. Der Polizeipräsident räumt allerdings ein, dass er "als Mittelschüler in alle möglichen Organisationen und Verbindungen hineingeschnuppert habe, da wurde ja immer massiv geworben".

Allerdings wisse Pürstl nicht mehr genau, bei welchen Verbindungen er war: "Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ich hatte viele Freunde, die irgendwo auch dabei waren, aber spätestens mit 17 wusste ich, das sind Organisationen, bei denen ich niemals eine Heimat finden kann." Im Übrigen habe er "keine Lust, mir irgendwo mit einem Säbel den Schädel einzuschlagen".  Immerhin sei er ja "seit Jahrzehnten in der der SPÖ verankert, da könnte ich mir das gar nicht leisten – und es interessiert mich auch nicht".

Der FPÖ-Politiker und Twitterer Deimek sagt dem STANDARD: "Die Info mit der Ghibellinia habe ich aus dem Wiener Kreis diverser Verbindungen." Allerdings würden in solche Verbindungen Mitgliedschaften "weder offensiv herausgestrichen, noch dementiert". Beweisen kann Deimek seine Behauptung allerdings nicht. Für Pürstl ist klar: "Die FPÖ hat das frei erfunden."

Rücktrittsaufforderung: "Kann nur lachen"

Zu Rücktrittsaufforderungen vonseiten des Grünen Peter Pilz und Jugendorganisationen der SPÖ meinte Pürstl: "Da kann ich nur lachen. Ich wüsste nicht, warum ich zurücktreten sollte, das war ein sehr guter Einsatz, wir haben geschaut, dass es keine Verletzten und Toten bei den Ballbesuchern gibt." Nachsatz: "Und natürlich auch nicht im Umfeld der Demonstranten. Das ist sehr gut gelaufen." (burg, cms, sterk, derStandard.at, 27.1.2014)