Sankt Corona - Wenn Josef Pichlbauer seinen Blick bergwärts richtet, fällt ihm nur eines ein: "Es ist zum Rean." Natürlich hätte der VP-Bürgermeister des kleinen Skiortes Sankt Corona am Wechsel im südlichen Niederösterreich auch "Weinen" sagen können. Die Dramatik angesichts des aus Touristikersicht bisher so traurig warm verlaufenen Winters wird im Dialekt aber eindeutig passender beschrieben.
Seit vergangenem Sonntag müssen die vier Lifte im Skigebiet mangels Schnees stillstehen. Lange hatte sich das weiße Kunstschneeband gegen die Temperaturen zur Wehr gesetzt. Irgendwann war der Kampf aussichtslos. "Mir tun ja die Mitarbeiter der Bergbahnen und der Gemeinde am meisten leid", sagt Pichlbauer. "Sie haben alles für die Skifahrer gegeben, aber der Einsatz ist nicht belohnt worden."
Am Freitag hat es in Sankt Corona endlich wieder ein paar Zentimeter geschneit, ein paar Flocken könnten am Wochenende noch dazukommen. Die Erleichterung ist im Familienskigebiet spürbar, auch wenn von tiefwinterlichen Verhältnissen noch keine Rede sein kann. Schließlich stehen ab kommendem Wochenende die Semesterferien in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland an.
Bangen um die Existenz
Soll das Betriebsergebnis der vom Land als Besitzer geführten Bergbahnen noch halbwegs erträglich werden, müssen die Lifte in der tourismusstärksten Zeit für die Wiener und niederösterreichischen Gäste rennen. Koste es, was es wolle. Dieses Wochenende bleiben die Lifte noch zu, ab Montag soll wieder Betrieb herrschen. Pichlbauer hätte auf einen viel strengeren Winter gehofft. "Gerade zum wichtigsten Zeitpunkt bekommen wir keinen Rückenwind vom Wetter", sagt er.
Denn der kleine Skiort bangt um seine Existenz. Um das Skigebiet mit dem alten Einsersessellift aus dem sprichwörtlichen Jahre Schnee attraktiver zu gestalten, soll eine moderne Sechsersesselbahn samt Kinderskiland errichtet werden. Kostenpunkt: 11,1 Millionen Euro. Diese Obergrenze hat Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (VP) fixiert. Bis 31. Jänner haben zwei Bietergruppen Zeit, Erstangebote vorzulegen.
Die Sinnfrage
Über die Sinnhaftigkeit des Projekts wird diskutiert und gestritten. Im Ort Sankt Corona auf 850 Meter Seehöhe sind in der gesamten Wintersaison - exklusive der jüngsten Schneefälle - gerade einmal fünf Zentimeter Naturschnee zusammengekommen. Angesichts des Klimawandels ist nicht davon auszugehen, dass die Saison 2013/14 für östliche Skigebiete in Österreich in mittleren Höhen eine absolute Ausnahme darstellt. "Wir leben in einer Zeit des Wandels", sagt Pichlbauer, der in vergangenen Jahren viel mehr Naturschnee gesehen hat. "Ich bin Realist."
Andererseits sind es gerade kleine Skiorte, die Familien mit Kindern leistbares Wintervergnügen und Sport als Alternative zu anderen Freizeitbeschäftigungen anbieten. Oft wird so der Einstieg zu einer Hobby-Wintersportkarriere geschaffen, sagt Pichlbauer, selbst pensionierter Sport- und Skilehrer in einer Hauptschule. "Die Leidenschaft wird den Kindern dann weitergegeben." Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt aber in eine andere Richtung: Die Zahl des Skinachwuchses im Sportland Österreich sinkt, Schulskikurse und Turnstunden werden weniger.
Im Fall der möglichen Millioneninvestition von Steuergeldern in Sankt Corona spielt freilich auch der Nachbar eine gewichtige Rolle: Vom Herrgottschnitzerhaus unterhalb des Kampsteins (1467 Meter) lässt sich vorzüglich zum nächsten Wechsel-Skigebiet Mönichkirchen-Mariensee blicken. Dort investierte das Land als Mehrheitseigentümer vor einigen Jahren zwölf Millionen Euro in drei neue Sessellifte samt Infrastruktur. 2009 kam eine topmoderne Beschneiungsanlage um 2,9 Millionen Euro dazu. Dennoch musste das Familienskigebiet sogar eine Woche vor Sankt Corona am 11. Jänner wegen Schneemangels vorübergehend zusperren. Auch hier wird alles unternommen, um die bis vor wenigen Tagen fast aperen Pisten nach den jüngsten Schneefällen für die Semesterferien rechtzeitig fit zu bekommen. Ab kommendem Montag soll es einen eingeschränkten Betrieb geben. Ab Mittwoch ist dank prognostizierter tiefer Temperaturen und des Einsatzes dutzender Schneekanonen auch Mariensee wieder in Betrieb.
Noch viele geschlossen
Von zwanzig niederösterreichischen Skigebieten waren am Freitag laut Auskunft der "Skiregion Ostalpen" nur sechs in (Teil-)Betrieb, Puchberg am Schneeberg konnte in dieser Saison überhaupt noch keinen einzigen Tag aufsperren. Auch hier beginnt der Wettlauf gegen die Zeit.
In der Steiermark waren 17 kleinere Skigebiete geschlossen, darunter etwa das Alpl, Sankt Kathrein am Hauenstein, Mönichwald oder Strallegg. Große Skigebiete wie die Vier-Berge-Skischaukel bei Schladming (900 Schneekanonen) konnten einen durchgehenden Betrieb sicherstellen. (David Krutzler, DER STANDARD, 25./26.1.2014)