Kurt Krenn ist nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren gestorben.

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Er selbst fühlte sich als Opfer einer großen Intrige. „Mir als Person ist großes Unrecht geschehen", hielt Kurt Krenn einmal mehr fest, als seine Tage als St. Pöltner Bischof gezählt waren. Am Abend des 29. September 2004 hat er das laute Schweigen der Kirchenführung durchbrochen: „Ja, ich bin ab sofort Altbischof von St. Pölten", sagte er zum STANDARD. Der Schlusspunkt eines Streits um seine Person, der sich im Laufe des Jahres 2004 derart zugespitzt hatte, dass ihm vor dem endgültigen Aus mit dem Vorarlberger Bischof Klaus Küng, der später sein Nachfolger werden sollte, ein apostolischer Visitator vor die Nase gesetzt werden musste.

Selbstzweifel? Fehlanzeige. Dabei war es Krenn selbst, der in seiner knapp 13-jährigen Amtszeit mit seiner höchst umstrittenen Politik dafür gesorgt hat, dass es zu jenen Missständen in der St. Pöltner Diözese kam, die ihm schlussendlich auch das Amt gekostet haben. Im Sommer 2004 war bekanntgeworden, dass Priesterseminaristen in St. Pölten Kinderpornos aus dem Internet heruntergeladen hatten. Dann noch Fotos, die den damaligen Regens in einem innigen Kuss mit einem Mann zeigten. „Bubendummheiten" nannte Letzteres Krenn. Nachfolger Küng wird später das Seminar schließen, weil ein „völliger Neuanfang" notwendig sei.

Kurt Krenn wurde am 28. Juni 1936 im oberösterreichischen Rannariedl als zweites von sechs Kindern des Ehepaares Karl und Leopoldine Krenn geboren. Er verlor schon früh seinen Vater, der als Soldat am 6. August 1944 fiel. Nach der Matura am Realgymnasium in Schlierbach trat Krenn 1954 in das Priesterseminar Linz ein und begann das Studium an der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt Linz. Von 1955 bis 1965 studierte er Philosophie und Theologie an der Pontificia Universitas Gregoriana und Kirchenrecht an der Pontificia Universitas Lateranensis in Rom. In der Kirche Sant Ignazio der „Ewigen Stadt" wurde er am 7. Oktober 1962 auch zum Priester geweiht.

Weihe unter Polizeischutz

Ab 1965 war Krenn Seelsorger in der Pfarre Capena bei Rom. Von 1966 bis 1970 war Krenn wissenschaftlicher Assistent an der Universität der bayerischen Landeshauptstadt. Danach unterrichtete er fünf Jahre als Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Linz. 1975 erfolgte die Berufung als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für „Systematische Theologie" an der Universität Regensburg.

Am 3. März 1987 wurde Krenn dann von Papst Johannes Paul II. zum Auxiliarbischof der Erzdiözese Wien für die Bereiche Kunst, Kultur und Wissenschaft ernannt. Die Weihe erfolgte am 26. April desselben Jahres durch Kardinal Hans Hermann Groër. Die Probleme mit dem streitbaren Geistlichen wurden bereits am Tag der Weihe deutlich: Kurt Krenn muss über einen „Menschenteppich" und unter Polizeischutz in den Stephansdom getragen werden. Unzählige protestieren gegen die Ernennung Krenns zum Weihbischof von Wien. Die Stimmung war beim österreichischen Kirchenvolk an einem Tiefpunkt angelangt. Nur ein Jahr zuvor kürte Rom in Eigenregie Hans Hermann Groër zum Bischof von Wien, zwei Jahre später zum Kardinal. Es war der Versuch, quasi mit der päpstlichen Brechstange die Erzdiözese Wien nach der Ära König wieder auf Linie zu bringen. Ausgelöst hat diese Entscheidung über das Kirchenvolk hinweg letztlich einen Flächenbrand in der gesamten österreichischen Kirche. Zündstoff waren damals vor allem die „Affäre Groër" und die späteren „Bubendummheiten" in St. Pölten.

Schon lange vor dem tiefen Fall mutiert Krenn – unbeirrt von den zahlreichen Kritikern – zur Galionsfigur der Konservativen. Ob als Wiener Weihbischof (1987–1991) oder Bischof von St. Pölten (1991–2004), der füllige „Vertreter der Wahrheit Gottes" spaltet mit gewohnter Regelmäßigkeit die Nation. Er scheut kaum einen Konflikt, verkündet seine Thesen in vielen Interviews und legt sich mit Laien wie Priestern an. Selbst Bischofskollegen verschont er in seinem Kampf um die „Wahrheit" nicht.

Mit der Weihe am 15. September 1991 zum St. Pöltner Diözesanbischof nimmt auch die Zahl der Konflikte noch zu: Krenn streitet mit den Äbten der niederösterreichischen Stifte, liegt mit dem Paudorfer Pater Udo Fischer im Dauerclinch und kritisiert Kardinal Christoph Schönborn scharf. „Die Lügner sollen das Maul halten", sagte er in Richtung des Wiener Kardinals. Auslöser war ein Bericht der Bischöfe an Rom, von dem sich Krenn distanziert hatte.

Auffanglager für Geschasste

Die Diözese St. Pölten selbst wird unter Krenn mehr und mehr zum Tummelplatz obskurer vorkonziliarer Gruppen. Immer mehr Rechtskatholiken, wie etwa die Piusbruderschaft, siedeln sich im Umfeld des streitbaren Oberhirten an. Das Priesterseminar St. Pölten wird zum Auffanglager für im Ausland geschasste Kandidaten. Als dann die Missstände im Priesterseminar an die Öffentlichkeit gelangen, geht alles recht schnell. Am 21. Juli 2004 beginnt die Visitation durch den Feldkircher Bischof Klaus Küng, im September ist die Ära Krenn besiegelt. Er zieht sich völlig aus dem öffentlichen Leben zurück. Am Samstagabend ist Kurt Krenn nach langer Krankheit im Kloster der Dienerinnen der Immaculata in Gerersdorf bei St. Pölten, wo er in den letzten Jahren gepflegt wurde, gestorben. (Peter Mayr, Markus Rohrhofer, derStandard.at, 25.1.2014)