Dass sich die EU-Kommission in ihrer neuen Klimastrategie zu keinem verbindlichen Gesetzesvorschlag zum Abbau von Schiefergas durchringen konnte, hat einen guten Grund: Auf die Frage, ob Schiefergas dem Klima nützt oder schadet, gibt es keine eindeutige Antwort.

Das sehen Umweltschützer anders. Sie verweisen auf Studien, die eine Grundwasser-Verseuchung durch "Fracking" belegen. Doch die angeführten Beispiele sind vereinzelt und meist etwas älter. Bei Anwendung moderner Technik und Einhaltung bestehender Gesetzesauflagen stellt Schiefergas-Förderung keine außerordentliche Belastung der Umwelt da - jedenfalls nicht mehr als andere Energieformen.

Und die Nutzung wie Schiefergas hat den Vorteil, dass es weniger Treibhausgase verursacht als Erdöl – und dramatisch weniger als Kohle. Deshalb sind die USA das einzige Industrieland der Welt, das im vergangenen Jahr seine Treibhausemissionen deutlich reduziert hat.

Fallender Gaspreis als Erfolg

Der massive Rückgang des Gaspreises in den USA, die Schiefergasgegner nun als Beweis für die Untauglichkeit dieser Energieform anführen, ist in Wirklichkeit ein Zeichen des Erfolgs. Industrie und  Haushalte werden dadurch massiv entlastet und das Wirtschaftswachstum angekurbelt. Derzeit sind neue Schiefergas-Bohrlöcher zwar nicht profitabel. Aber wenn die Förderung als Folge zurückgeht und der Preis dann wieder etwas steigt, dann wird erneut investiert. So funktioniert ein freier Markt.  

Das Gegenbeispiel ist Deutschland, dessen Strategie der Energiewende bisher ein Desaster war. Weil die kombinierten Kosten von Atomausstieg und teurer Förderung von alternativen Energien den Strompreis in die Höhe schnellen lassen, wird immer mehr billige Kohle verbrannt. Und deshalb steigen die Treibhausemissionen in Deutschland statt zu fallen.

Wenn in Polen, Großbritannien und anderen EU-Staaten in den kommenden Jahren Schiefergas kommerziell gefördert wird, dann könnten zahlreiche Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Das wäre der größte Beitrag zum Klimaschutz, den Europa derzeit leisten könnte.

Das gilt für Österreich weniger als für andere Staaten. Aber auch bei uns kommen - über Stromimporte - rund zehn Prozent der Elektrizität aus schmutzigen Kohlekraftwerken. Die Umweltschützer, die gegen Schiefergas-Projekte im Weinviertel und am Bodensee Sturm laufen, sollten sich viel mehr darüber empören.

Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bleibt

Allerdings hat dieser pragmatische Zugang einen Haken: Die positiven Folgen der Schiefergas-Förderung würden den Ausbau von erneuerbaren Energieformen bremsen. Europa würde seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen – wenn auch von den relativ sauberen – verlängern und damit eine echte klimaschonende Energiewende zumindest hinausschieben, wenn nicht überhaupt verhindern.

In diesem Punkt haben Schiefergas-Gegner Recht. Allerdings wurde ihre Position durch die katastrophal ineffiziente und teure Förderungspolitik bei alternativen Energien der vergangenen Jahre geschwächt. Es soll einen nicht verwundern, dass viele Energieexperten nun sagen: Wenn wir mit Sonne und Wind Strom teurer machen und am Ende doch mehr Treibhausgase produzieren, dann müssen wir einen anderen Weg einschlagen.

Idealerweise würden die EU-Staaten in den kommenden zehn Jahren sämtliche Kohlekraftwerke stilllegen und durch neue Gaskraftwerke, betrieben durch zuhause gefördertes Schiefergas statt durch russisches Erdgas, ersetzen.  Und in den darauffolgenden zehn Jahren müssten diese Anlagen wieder geschlossen werden, weil sie durch erneuerbare Energieträger und eine viel höhere Energieeffizienz obsolet geworden sind.

Doch es ist höchst unsicher, ob eine solche Strategie wirklich durchgehalten werden kann und die Erneuerbaren am Ende nicht auf der Strecke bleiben. Kein Wunder, dass die EU-Kommission diese Frage lieber den Staaten überlässt. (Eric Frey, derStandard.at, 24.1.2014)