Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Nagl ist als Nachfolger von Landeshauptmann-Stellvertreter Schützenhöfer im Gespräch. Er selbst schließt nicht aus, im Herbst in die Landespolitik zu wechseln.

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STANDARD: Sind Sie angesichts der Performance und der miesen Umfragedaten eigentlich noch gerne in der ÖVP, oder wären Sie nicht schon lieber bei den jungen Neos?

Nagl: Die Neos sind ja Teil unseres eigen Fleisch und Blut, und ich wünsche mir, dass jene, die aus uns herausgewachsen sind und ihre Ausbildung bei uns bekommen haben, auch wieder zu uns zurückkehren. Das wird aber ohnehin sicher passieren. Für die ÖVP aber, wo mein Platz ist, gilt, dass sie auch ihr liberales Fundament stärken muss. Wenn die ÖVP nicht breit aufgestellt ist, wird sie keine Zukunft haben. Die ÖVP muss das gesamte Spektrum der Gesellschaft abbilden, deshalb heißen wir ja Volkspartei. Darum wollen wir auf dem Parteitag morgen, Samstag, diesem Bild auch gerecht werden und eine neue Vorfeldorganisation gründen.

STANDARD: Eigene Neos?

Nagl: Ja, das sind unsere Neos sozusagen. Nein, im Ernst. Da geht es um das Thema Integration. Wir gründen eine Vorfeldorganisation für die Neo-Österreicherinnen und -Österreicher. Als deutliches Signal für Menschen, die zu uns kommen und Graz zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben. Aber zurück noch zu den Neos: Es gibt Wurzeln einer Partei, und da sehe ich auch das große Problem der Neos. Ihnen fehlen die Fundamente. Sie werden ähnliche Probleme bekommen wie Herr Stronach. Zeitgeistig sein kannst du eine Zeitlang relativ locker, aber irgendwann wird's ernst.

STANDARD: Sie meinen, die Neos werden dasselbe Schicksal wie das Team Stronach erleiden?

Nagl: Ja, es fehlen wichtige Fundamentteile - wie bei der Mutterpartei die christlichen Wurzeln -, die ein langfristiges Überleben sichern.

STANDARD: Sollten Sie sich nicht eher um diese "Mutterpartei", die ÖVP, Sorgen machen?

Nagl: Die Performance war nicht gut, keine Frage. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass die Volkspartei auf Gemeindeebene noch immer absolut die stärkste Fraktion ist, wir sind also direkt am Menschen dran. Auch auf Landesebene haben wir wieder stark zulegen können. Siehe Tirol oder Salzburg, wo wir den Landeshauptmann zurückeroberten. Auf Bundesebene haben wir momentan Probleme, aber die werden wir lösen. Totgesagte leben länger. Auch ein Herr Strolz von den Neos trägt dazu bei, dass sich die Volkspartei verändert. Er hilft uns extern jetzt vielleicht mehr, als ihm lieb ist. Die Volkspartei wird aber auf allen Ebenen beweisen müssen, dass auch wir liberal sein können. Mit der ÖVP kann auch in Zukunft jeder rechnen.

STANDARD: Egal, wer an der Spitze steht?

Nagl: Im Moment möchte sicher niemand mit Michael Spindelegger, aber auch Werner Faymann tauschen. Nicht nur, dass jeder von uns eh alles besser weiß und alle nach Reformen schreien, aber selbst nie betroffen sein wollen. Dann hast du auch noch interne Strukturen, die dich jeden Tag vierteilen. Okay, wir haben uns aber stärkere Reformen gewünscht.

STANDARD: Der Kelch, in die Landespolitik ziehen zu müssen, um Parteichef Hermann Schützenhöfer abzulösen, könnte ja nun doch an Ihnen vorbeiziehen, Man hört, Schützenhöfer habe wieder Lust zu bleiben und Sie können in Graz bleiben.

Nagl: Jeder kennt meine Leidenschaft für Graz. Ich kandidiere morgen wieder als Grazer Parteiobmann. Was die steirische Volkspartei im Herbst entscheiden wird, werden wir sehen. Darüber nachdenken tu ich, aber die Entscheidung wird definitiv frühestens im Herbst fallen.

STANDARD: Ist das nicht unfair Ihren Grazer Parteifreunden gegenüber? Sie werden am Parteitag wieder zum Obmann gewählt, in der Aussicht, dass Sie weiter Bürgermeister bleiben, und dann sind Sie wenige Monate später weg?

Nagl: (lacht) Wenn es einmal eine solche Entscheidung geben sollte, dann wäre ich für die Steirerinnen und Steirer da, und - das ist oft nicht allen bewusst - dazu gehören auch die Grazerinnen und Grazer.

STANDARD: Es wurde öfters kolportiert, dass Sie nur dann ins Land gehen, wenn Sie nicht gegen SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves antreten müssen.

Nagl: Nein, das habe ich sicher nicht gesagt, da müsste ich schlaftrunken gewesen sein. Ich sehe mich als Hürdenläufer und habe nie darauf geschaut, was auf meinen Nebenbahnen los ist. In der Politik gibt es keine Angst vor irgendeinem Mitbewerber.

STANDARD: Sind Sie eigentlich mit den Grünen nach Aufkündigung der Koalition wieder grün? Können Sie wieder mit ihnen?

Nagl: Ich habe für grüne Politiker und Politikerinnen nach wie vor meine Wertschätzung. Ich habe nie geschimpft über die Koalition. Was wir uns vorgenommen haben, haben wir auch sensationell schnell abgehandelt. Aber zum Schluss, bei neuen Projekten, sind sie nicht mehr mitgegangen. Die Schere war schon so groß, dass ich mir gedacht habe: Bevor wir unendlich streiten, beenden wir den Zauber.

STANDARD: Und mit FPÖ und SPÖ als loses Trio funktioniert es?

Nagl: Jeder darf jetzt auf Brautschau gehen und neue Partner suchen. Es gibt ein Spiel der freien Kräfte. Das hat im letzten Jahr zu bunten neuen Entscheidungskonstellationen geführt. Manchmal macht die ÖVP etwas mit den Grünen und der KPÖ, manchmal mit der SPÖ oder FPÖ.

STANDARD: Bräuchte Graz nicht eine Imagekorrektur. Graz gilt noch immer als Stadt der Verbote.

Nagl: Graz wird anders wahrgenommen. Die Verbote - vom Gastgartenverbot, Heizschwammerlverbot bis zu Fahrverboten: Das haben mir die Grünen angetan. (Walter Müller, DER STANDARD, 24.1.2014)