Wien - Ein Abend der großen Melodiker. Tschaikowsky mit seiner "Fantasie-Ouvertüre" Romeo und Julia war ja eher überraschend an den Beginn gestellt worden: Durch die krankheitsbedingte Absage Neeme Järvis war die symphonische Dichtung Koit des Esten Heino Eller, des Lehrers Arvo Pärts, aus dem Programm gepurzelt und durch Tschaikowskys sentimentsattes, hochdramatisches Opus ersetzt worden.

An Järvis Stelle fand sich Vassily Sinaisky zu seinem Debüt bei den Wiener Symphonikern ein - der ehemalige Chef der Moskauer Philharmoniker und musikalische Leiter des Bolschoi-Theaters unterrichtet Dirigieren am Konservatorium von Sankt Petersburg. Ganz behutsam, nur sacht akzentuiert ging der 66-Jährige die Tragödie an und achtete in weiterer Folge auch vorbildlich darauf, dass sich die Streicher bei den wichtigen Stellen der Holzbläser brav im Klanghintergrund hielten.

Bei den dynamischen Höhepunkten klangen die Symphoniker ein ganz klein wenig russisch: robust, eckig, kraftvoll. Dann war Nicolas Altstaedt als Solist von Schostakowitschs erstem Cello-Konzert dran. Altstaedt, Jahrgang 1982 und nun künstlerischer Leiter des Kammermusikfestivals in Lockenhaus, könnte optisch als der jüngere, noch etwas attraktivere Bruder von Jonas Kaufmann beschrieben werden. Geduckt, kompakt, energisch ging er den Kopfsatz an; fast widerborstig, mit rundgebogenem Rücken bohrte er sich in das Hauptthema des Finalsatzes.

Mit schlichter Innigkeit präsentierte der Deutsche das Hauptthema des langsamen Satzes, die Kadenz war voll der verschiedensten Stimmungen und Charaktere. Altstaedts Spiel ist getragen von Intensität, Ernst und Variabilität. Sibelius' federleichtes Opus 1 als Pizzicato-Zugabe, zusammen mit dem Konzertmeister der Symphoniker dahingetröpfelt, sorgte für Schmunzeln und Begeisterung.

Als Melodiker Nummer zwei war nach der Pause Dvorák zu hören mit - ja, erraten - der Neunten. Wunderschön das Englischhornsolo im zweiten Satz wie und auch der superleise Schluss der tiefen Streicher an dessen Ausklang. Solide das beethovenartige Scherzo, im vierten großes Cinemascope-Pathos. Ein solides Konzert. Freudvoller Applaus. (Stefan Ender, DER STANDARD, 24.1.2014)