Das Lamm aus dem Wahlkampf steht für viele grüne Abgeordnete für die Inhaltsleere, die es jetzt zu überwinden gelte. Die Partei sucht den Weg aus der Krise.

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Manch einer würde das grüne Lamm aus dem Wahlkampf gerne schlachten und grillen. Die weichgespülte Wohlfühlkampagne, die ganz auf "Eva" zugeschnitten war, liegt vielen noch im Magen. Das liebe Lamm von den Plakaten sorgt bei Abgeordneten für Aggressionen.

Noch ist die Enttäuschung nicht gewichen, was paradox ist, denn die Grünen hatten mit 12,4 Prozent ihr bestes Ergebnis erzielt. Die interne Vorgabe lag allerdings bei 15 Prozent. Die Inhalte hätten gefehlt, und in den letzten 14 Tagen sei der Kampagne die Luft ausgegangen, lautet die interne Kritik. Es seien handwerkliche Fehler passiert, und die Kommunikation nach außen funktioniere immer noch nicht. Bei der Klubklausur zu Wochenbeginn soll das alles besprochen werden. Die Grünen suchen ihren Standort und einen Weg, die Perspektive zu verändern: Die Aussicht auf fünf weitere Jahre in der Opposition hat vor allem bei altgedienten Abgeordneten für Frust gesorgt.

Völlig ungeklärt ist auch, wie man auf die Konkurrenz durch die Neos reagieren soll, auf die man schon im Wahlkampf keine Antwort gefunden hatte. Kultursprecher Wolfgang Zinggl fordert einen Diskussionsprozess ein, das Verhältnis zu den Neos müsse geklärt werden: "Wir müssen jetzt die Gemeinsamkeiten, vor allem aber auch die Differenzen herausarbeiten."

Ärger in der zweiten Reihe

Auch Glawischnig selbst ist nicht rundum zufrieden, sie würde die Partei gerne öffnen. Die Unzufriedenheit hat bei den Grünen auch zu einer personellen Debatte geführt: Während Glawischnig als Frontfrau unbestritten ist, macht sich der Ärger an der zweiten Reihe fest: Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und Dieter Brosz, der sich als geschäftsführender Parlamentarier mehr zumute, als ihm und dem Klub guttue, stehen in der Kritik. Peter Pilz formuliert es vorsichtig: "Wir müssen die Last der Verantwortung gerechter verteilen. Wir wollen doch niemanden überfordern." Bei der Klausur sollen die Rollen von Wallner und Brosz geklärt werden. Auch andere Abgeordnete beschweren sich darüber, dass diese beiden zwischen dem Klub und der Parteichefin stünden - ohne jemanden vorbeizulassen. Das soll auch schon zu Schreiduellen geführt haben.

Von "Pseudodiskussionen" in Mauerbach ist im Vorfeld schon die Rede - weil der kleine Kreis um Glawischnig wichtige Entscheidungen schon im Vorhinein trifft - siehe etwa die EU-Spitzenkandidatur von Ulrike Lunacek. Das Ergebnis der einsamen Entscheidungen: Hinter der EU-Listenersten Lunacek, die als Wahlkämpferin nicht sehr geeignet sei, treten nun gleich mehrere Grüne wie der Zweitplatzierte Michel Reimon oder die Fünftplatzierte Madeleine Petrovic mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf und der Hoffnung auf eine Vorreihung an - was den Zusammenhalt des Teams nicht gerade fördere.

"Wir sind immerhin Opposition"

Dazu kommt, dass ein Teil der Mannschaft - in scharfer Abgrenzung zu den marktliberalen Neos - eine EU-kritische Kampagne führen will, um soziale und ökologische Fehlentwicklungen in der Union aufzuzeigen, doch nicht alle wollen da mit. "Wir sind immerhin Opposition", meint dazu Reimon, "aber es gibt gewichtige Stimmen, die fürchten, dass wir damit nur den blauen Europa-Feinden in die Hände spielen - ich sehe das anders. Und für eine Feel-good-Kampagne bin ich gar nicht in Stimmung."

Pilz hält eine "Weiterentwicklung" der Grünen für notwendig, will aber an der Radikalopposition festhalten: "Wir müssen klären, ob wir uns als Krücken für die marode Koalition anbieten oder ob wir mit dieser Regierung möglichst schnell Schluss machen wollen."

Die junge Tiroler Abgeordnete Sigrid Maurer will sich bei der Klausur inhaltlich einbringen: "Ich bin da hineingegangen, damit wir wieder politischer werden und die Grünen sich weiter links positionieren." Der Vorarlberger Harald Walser meldet trotz des "historisch besten Ergebnisses" im September bei der Kommunikation nach außen Verbesserungsbedarf an: "Wir sind sehr berechenbar und seriös geworden." Überhaupt müssten sich die Grünen auf Inhalte konzentrieren und nicht "ständig auf die Frage, ob wir in der Regierung sind oder nicht".

Manche denken daran, das Lamm aus dem Wahlkampf tatsächlich einer rituellen Schlachtung im Klub zu unterziehen - damit eine Ruhe ist. (Sebastian Pumberger, Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 23.1.2014)