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Ein Faultier bei seiner Lieblingsbeschäftigung. Im Fell der Tiere leben Motten und Algen, die dem Faultier Gutes tun.

Foto: REUTERS/ Carlos Jasso

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Einmal pro Woche wagt sich das Dreifinger-Faultier aus den Bäumen. Der Ausflug ist anstrengend und gefährlich, aber notwendig.

Foto: APA/EPA/Jeffrey Arguedas

Der komplexe Kreislauf der Faultier-Algen-Motten-Symbiose.

Grafik: Proceedings of the Royal Society B/Pauli et al.

Faultier ist nicht gleich Faultier: Es gibt Arten mit zwei Fingern und andere mit drei Fingern. Faul sind alle Artvertreter, besonders faul sind aber die Dreifinger-Faultiere (Bradypus). Das hat mit ihrer speziellen Ernährungsweise zu tun. Die in Südamerika beheimateten Tiere, die von den Einheimischen "los perezosos" genannt werden (also "die Faulen"), fressen ausschließlich Blätter und anderes Grünzeug auf Bäumen.

Diese Kombination kommt im Reich der Säugetiere nur sehr selten vor - gerade einmal bei zehn Arten. Der Grund dafür ist einfach: Einerseits müssen Baumbewohner vergleichsweise leicht sein, um in den Ästen der Bäume hängen zu können. Andererseits beschränkt ein kleiner Körper die Verdauungskapazität. Der Kompromiss der Faultiere, die das langsamste Verdauungssystem aller Säugetiere haben: eine extrem energiesparende Lebensweise, um trotz der nährstoffarmen Diät zu überleben.

Vier Meter pro Minute

Im Normalfall hängen sie einfach in den Bäumen, und sie paaren sich auch in dieser Stellung. Die Höchstgeschwindigkeit der Dreifinger-Faultiere beträgt gerade einmal vier Meter pro Minute. Am Boden bewegen sie sich noch langsamer: Sie krabbeln mit den Unterarmen und Sohlen der Hinterbeine vorwärts. Immerhin können sie gut schwimmen.

Ein kleines Verhaltensdetail hat Zoologen bis jetzt allerdings an den Dreifinger-Faultieren irritiert: Warum steigen die Dreifinger-Faultiere im Schnitt einmal pro Woche von den Bäumen herab, um hier ihre Notdurft zu verrichten? Ihre an sich aktiveren Verwandten, die Zweifinger-Faultiere (Choloepus), die sich auch Früchte und kleine Tiere genehmigen, sind nämlich selbst dazu zu faul und kacken einfach im Hängen. Das ist weitaus sicherer, denn der Ausflug auf den Boden macht die Dreifinger-Faultiere zur leichten Beute von Raubtieren.

Biologen um Jonathan Pauli (Universität von Wisconsin-Madison) haben nun eine kuriose und zugleich ziemlich komplexe Lösung dieses Rätsels gefunden - und dabei eine der seltsameren Symbiosen des Tierreichs entdeckt. Wie die Forscher in den "Proceedings of the Royal Society B" berichten, steigen die Faultiere nämlich wegen der Motten in ihrem Pelz zu Boden - um auf diese Weise Algen in ihrem Fell zu züchten. Der Bewuchs mit Algen geht wiederum auf die besondere Struktur des Fells zurück, in dem sich viel Wasser einlagern kann.

Doch langsam, ein Schritt nach dem anderen: Alle Faultierarten haben Motten im Fell, die Dreifinger-Faultiere aber viermal so viele wie ihre Kollegen mit den zwei Fingern. Pauli und seine Kollegen vermuteten einen Zusammenhang mit dem Koten auf dem Boden und entdeckten, dass die Motten tatsächlich ihre Eier in den frischen Kot der Faultiere legen, die also die Insekten taxfrei zu ihren Brutplätzen bringen. Der Dung dient den Larven als Nahrung. Sind sie zu Motten herangewachsen, fliegen sie wieder zu einem Faultier.

Was aber hat das Faultier davon? Die Zoologen stellten weitere Vergleichsuntersuchungen zwischen den beiden Faultierarten an und fanden zum einen heraus, dass die mit den drei Fingern wegen der Motten sehr viel mehr Stickstoff- und Phosphorverbindungen im Fell hatten. Zum anderen hatten sie auch mehr Algen im Pelz, die auf Stickstoffverbindungen angewiesen sind. Diese Algen werden von den Tieren gefressen, wie die Forscher aufgrund von Analysen des Mageninhalts herausfanden.

Eine komplexe Symbiose

Damit schließt sich für die Forscher der Kreis - und eine komplexe Symbiose wird offenbar: Das Koten auf dem Boden bringt die Motten zu ihren Brutstätten und führt so zu mehr Motten im Fell. Die Motten tragen dazu bei, dass sich im Fell mehr Nahrung für Algen befindet. Und die Algen dienen den Faultieren als willkommene Nahrungsergänzung, die leicht verdaulich und zudem fettreich ist. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 22.1.2014)