Wien - Geistige Prozesse sind nicht allein Aufgabe des Gehirns. Vielmehr mischt der ganze Körper von den Muskeln bis zu den Darmbakterien dabei mit, was man denkt und wie man sich verhält, wie der Kognitionsforscher Tom Ziemke von der Universität Skövde (Schweden) am Montagabend bei einem Vortrag in Wien erklärt.

Traditionell würde man in der Kognitionsforschung Körper und Geist strikt trennen, so wie etwa Hardware und Software auf einem Computer. Versuche in den Neuro- und Verhaltenswissenschaften hätten aber gezeigt, dass Denken, Empfinden und Verhalten mit Körperfunktionen wie einfachen Reflexen, dem Stoffwechsel und dem Immunsystem verknüpft sind, sagte Ziemke im Rahmen der "Bühler-Lecture" an der Universität Wien.

Botox lähmt auch die Fähigkeit, sich zu ärgern

So können etwa die Gesichtsmuskeln mitentscheiden, ob man eine Karikatur witzig findet oder nicht, erklärte Ziemke. Wenn Versuchspersonen einen Stift mit der Spitze nach vorne zwischen den Zähnen halten mussten, was Gesichtsmuskeln aktiviert, die man beim Grinsen braucht, fanden sie solche Zeichnungen lustiger als Personen, die einen Stift quer zwischen die Lippen pressten, was einem ablehnenden Gesichtsausdruck entspricht. Und wenn man mit Botox einen Gesichtsmuskel lähmt, der für eine missbilligende Miene notwendig ist, fällt es den Leuten schwer, sich zu ärgern, sagte er.

In einem anderen Versuch hätten US-Forscher Versuchspersonen mit Wörtern berieselt, bei denen Amerikaner an alte Leute denken - wie etwa "Bingo", "grau" und "Florida". Danach beobachten sie, dass die Probanden langsamer den Gang entlang zum Lift spazierten als Kontrollpersonen, die neutrale Wörter zu hören bekamen.

Mutmachende Darmbakterien

Sogar die Darmflora kann das Verhalten beeinflussen, sagte Ziemke. So hätten Darmbakterien von mutigen Mäusen ängstliche Tiere in einem Experiment kühn gemacht und die Forscher konnten sogar chemische Veränderungen in den Mäusehirnen feststellen.

Schließlich hatte der Wissenschafter noch einen Rat für Jobsuchende: "Wenn Sie sich für eine Stelle bewerben, ist es vielleicht besser, wenn Sie das Motivationsschreiben und den Lebenslauf in eine solide, schwere Mappe stecken", sagte er. Denn Passanten hätten vermeintliche Jobkandidaten besser beurteilt, wenn ihre Bewerbungsunterlagen an einem schweren Klemmbrett steckten als auf einem leichten, erklärte der Kognitionsforscher. (APA/red, derStandard.at, 21.1.2014)