Dies ist eine Selbstanzeige eines Nichtjuristen. Oder besser: eine Selbstreflexion, ein Versuch jedenfalls. Denn falsch war nichts an der Meldung vom Montagabend, wonach die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen einen "Verantwortlichen" von ATV ermittelt wegen des Verdachts der "Geschenkannahme durch Machthaber" (ja, so heißt Paragraf 153a Strafgesetzbuch nun einmal). Das hat die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt.

Der Vorwurf, über den Staatsanwaltschaft und in ihrem Auftrag das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ermitteln, wurde korrekt wiedergegeben: Dieser Verantwortliche stehe unter dem Verdacht, er habe Produktionsaufträge für den Sender von Zahlungen an ihn abhängig gemacht.

Auch die Information, gegen wen die Staatsanwaltschaft da ermittelt, war korrekt, auch wenn die Behörde den Namen nicht nennt. Der Betroffene wurde für den Bericht über die Ermittlungen auch befragt. Er weiß von nichts, sagte er.

Und korrekt war auch die Information, dass die Behörden aufgrund einer anonymen Anzeige ermitteln und diese Ermittlungen noch laufen.

Da setzt - womöglich einen Moment zu spät - die Reflexion ein. Verstärkt von Florian Klenk vom "Falter", als der Bericht schon online steht. Klenk sagt, er hat  schon vor einiger Zeit in der Sache recherchiert, auch beim Betroffenen. Klenk sagt, er hat nichts geschrieben, weil er nichts in der Hand hatte außer der Anzeige und den Ermittlungen.

"Ausreichender Anfangsverdacht"

Unabhängig von der Substanz der Vorwürfe und dem Ergebnis der Ermittlungen im konkreten Fall: Ein Bericht über Ermittlungen wegen eines strafrechtlich relevanten Verdachtes gegen eine Person schadet zweifellos deren Ruf. Darf man so schnell schreiben, wenn die Vorwürfe und die Ermittlungen auf einer anonymen Anzeige basieren - was beileibe nicht alleine in diesem Fall passiert?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht automatisch auf jede Anzeige hin, schon gar nicht auf jede anonyme Anzeige. Sie prüft zunächst, ob ein "ausreichender Anfangsverdacht" besteht - eine erste Prüfung auf Plausibilität und Strafbarkeit der Vorwürfe. Dann beginnt sie ein Ermittlungsverfahren - das noch immer eingestellt werden kann, wenn sich der Verdacht nicht ausreichend erhärtet.

All diese Fragezeichen und Vorbehalte sollten gemeint (und erkennbar) sein, wenn ein Journalist darauf hinweist, dass für den von Ermittlungen Betroffenen die Unschuldsvermutung gilt. Hätte es nicht andere, weit mehr Aufsehen erregende Ermittlungen gegeben in den vergangenen Jahren, ob sie nun noch immer laufen, schon verhandelt werden, in der einen oder anderen Instanz entschieden oder eingestellt sind. Und hätten sie und die Berichte darüber nicht dafür gesorgt, dass der Begriff der Unschuldsvermutung nach einer klaren Schuldvermutung klingt. 

Alles nicht neu. Aber es ist jedenfalls kein Fehler, regelmäßig daran zu erinnern. Auch sich. (Harald Fidler, derStandard.at, 21.1.2014)